Ende Oktober rollte ein gläserner Lkw-Auflieger durch Hamburg. Hinter den Fenstern die Zuschauer des Theaterstückes „Das Wunder von Hamburg“ des Regiekollektivs LIGNA. Thema der Kunstaktion auf Rädern: Die nicht wenigen Baulücken und städtebaulichen Brennpunkte der Hansestadt inklusive Elbtower.
Hamburg, die Stadt der gescheiterten Großprojekte und Baulücken in Eins-a-Lage? Zeitgleich veröffentlichten mehrere Verbände eine repräsentative Umfrage im Rahmen der „Deutschlandstudie Innenstadt“.
Gefragt wurde auch nach der attraktivsten Innenstadt Deutschlands. Resultat: Neben München landete Hamburg punktgleich auf Platz eins – mit deutlichem Abstand zum Rest der heimischen Citys.
Fremdbild und Selbstbild. Während die Hansestadt von außen betrachtet noch immer einen sensationellen Ruf genießt, überschatten aus der Innenperspektive akute Probleme oftmals die gemeinsamen Anstrengungen und langfristigen positiven Entwicklungen. Fast scheint es, als müssten die Hamburger ihre Innenstadt neu entdecken. Denn dort passiert wirklich viel.
Zum Beispiel das neue, im Herbst fertiggestellte Rathausquartier. „Das ist jetzt ein intensiv genutztes Viertel mit Arbeitsplätzen, Einzelhandel und zahlreichen Restaurants mit Außengastronomie, und das ist auch ein Erfolg des BID-Konzeptes“, sagt Hamburgs Innenstadt-Koordinatorin Elke Pahl-Weber. Die frühere Stadtplanungs-Professorin sieht zahlreiche Vorhaben auf einem guten Weg.
Das Rathausquartier ist jetzt ein intensiv genutztes Viertel mit Arbeitsplätzen, Einzelhandel und zahlreichen Restaurants mit Außengastronomie.
Elke Pahl-Weber
Etwa die Domachse, die Verbindung zwischen Innenstadt und HafenCity. „Die Ausschreibung für einen übergreifenden Rahmenplan findet demnächst statt, sodass 2025 mit den Arbeiten daran begonnen werden kann“, so Pahl-Weber. Damit werden für dieses zentrale Projekt Ende kommenden Jahres konkrete Ideen und Konzepte vorliegen.
Noch 2024 vorgestellt werden soll das „Zukunftsbild Innenstadt“, entstanden im Rahmen des Bundesprojektes „Verborgene Potenziale Innenstadt“. Von Letzterem stammen auch 640 000 Euro für soeben ausgewählte Pilotprojekte zur Belebung und Gestaltung der City, die 2025 umgesetzt werden. Denn wenn auch in der Innenstadt immer mehr Wohnraum entsteht, was an vielen aktuellen Bauprojekten erkennbar ist, muss die urbane Infrastruktur nachziehen.
Und neuen Wohnraum kann Hamburg gebrauchen, da generell zu wenig gebaut werde, findet auch Anika Schönfeldt-Schulz. Die Vorsitzende des „Immobilienverbandes Deutschland IVD Nord“ sieht die Situation allerdings differenziert. Wohnungen gebe es durchaus, allerdings eher in den Randlagen und in weniger beliebten Stadtteilen. Wirklich eng sei es vor allem in begehrten Vierteln wie Eimsbüttel oder Winterhude.
Dort würden zwar durchaus Wohnungen neu vermietet, aber: „Die Wohnungen in den begehrten Stadtteilen tauchen gar nicht mehr in den Wohnungsanzeigen auf, weil sie sofort an Bekannte oder innerhalb der Familie weitervermittelt werden.“ Deshalb gebe es für Gutverdienende in Hamburg eine eher „gefühlte“ Wohnungsnot, so Schönfeldt-Schulz. Geringverdienende hätten es hingegen extrem schwer und würden in weniger attraktive Lagen verdrängt. Gerade diese müssten dringend aufgewertet werden, vor allem durch eine bessere Verkehrsanbindung.
„Auch die vermehrte Schließung von Einzelhandelsgeschäften und kleinen Cafés ist weiterhin problematisch“, weiß Schönfeldt-Schulz zu berichten. „Hier haben der bürokratische Aufwand, die steuerliche Belastung und der Personalmangel einige Betriebe zur Schließung bewogen. Dabei sind es gerade die kleinen Läden, die einem Stadtteil ein Gesicht geben.“
Infrastruktur als wunder Punkt im Quartier, das ist auch ein zentraler Aspekt der „15-Minuten-Stadt“. Das Leitbild im Rahmen der Handelskammer-Standortstrategie „Hamburg 2040“ wächst immer mehr zu einem differenzierten Entwicklungskonzept heran – seit September unterstützt durch das webbasierte Planungstool „HK Maps“.
Bitte mehr BID Vor 20 Jahren beschloss die Hamburgische Bürgerschaft das Gesetz zur Stärkung der Einzelhandels- und Dienstleistungszentren, das so genannte „BID-Gesetz“. Die Hamburger Business Improvement Districts (BIDs) sind seither ein wichtiges Instrument der Hamburger Stadtentwicklung. Im März dieses Jahres wurde das „BID Gänsemarkt III“ eingerichtet. 2025 kommt unter anderem das „BID Colonnaden“ hinzu. Mehr Informationen erhalten Sie hier.
„Das 15-Minuten-Stadt-Radar auf Basis unserer Software kann für rund 250 000 Hamburger Flurstücke ermitteln, welche Infrastruktur- und Mobilitätsangebote innerhalb von 15 Minuten erreichbar sind“, sagt Daniel Schulz, Mitgründer von Comaps, einer Ausgründung der HafenCity Universität.
Das von Comaps entwickelte „HK Maps“ bereitet eine Vielzahl öffentlicher Daten grafisch so auf, dass jeder Standort in der Stadt in verschiedenen Dimensionen bewertet wird und einen Gesamtscore erhält. Das Tool, derzeit nur von der Handelskammer genutzt, soll nach und nach für deren Mitgliedsunternehmen geöffnet werden und so zum Beispiel bei anstehenden Standortentscheidungen unterstützen.
In ihrer Strategie „Hamburg 2040“ hat sich die Handelskammer ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 soll die Hansestadt klimaneutral sein. Das dazugehörige Motto „Innovationen überwinden die Klimakrise – nicht Verbote!“ soll auch für die energetische Sanierung des Gebäudebestandes gelten, die gerade in Hamburg noch hinterherhinkt. Mit Blick auf die oft nur aufwendig dämmbare historische Bausubstanz der Stadt geht der Blick hier vermehrt auf die technische Gebäudeausstattung.
„Durch die Nutzung von Wärmepumpen und Erneuerbaren Energien über Solaranlagen lässt sich der Energieverbrauch senken, ohne in die Bausubstanz der Gebäude eingreifen zu müssen“, sagt Philipp Schröder, CEO des Hamburger Start-ups 1Komma5°. „Die Technologien erlauben es, auch in älteren Gebäuden den Zugang zu flexibler Energienutzung zu schaffen.“