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Wasserstoff (H2) gilt als Schlüssel zur Energiewende. Das Gas soll in Zukunft zur Speicherung von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energien dienen, fossile Energieträger ersetzen und zur Versorgungssicherheit beitragen. Neben den bisherigen Verwendungszwecken, etwa als Grundstoff für Düngemittel und für die Raffinierung von Mineralöl, könnte „grünes“ H2 auch als Energiereserve, als Basis für alternative Kraftstoffe sowie als Ersatz für Erdgas oder Kohle zum Einsatz kommen, etwa in der Stahl- und Kupferindustrie.
Strategien & Infos Mit der Nationalen Wasserstoffstrategie (2020), ihrer Fortschreibung (2023) und einer dazugehörigen Importstrategie (2024) hat die Bundesregierung die Rahmenbedingungen ihrer H2-Politik definiert. Mehr Informationen hier. Wissenswertes zu Wasserstoff, darunter auch Links auf ein Fakten- und ein Positionspapier der DIHK und auf die H2-Stratgie der norddeutschen Küstenländer, finden Sie auch auf der Handelskammer-Seite.
Norddeutschland mit seinen Windkraftkapazitäten und der Hamburger Hafen als Industrie- und Logistikzentrum bieten dafür beste Voraussetzungen und wollen im H2-Bereich eine Vorreiterrolle spielen. Wie eine neue Fraunhofer-Studie ermittelte, könnte Hamburg mit der Produktion und dem Import von H2 und seinen Derivaten im Jahr 2045 bis zu 18 Prozent des prognostizierten deutschen Bedarfs abdecken, wenn die Infrastruktur entsprechend ausgebaut wird. Dafür stellten Stadt und Bund seit 2022 mehr als eine halbe Milliarde Euro an Fördermitteln bereit.
Anfang 2025 begann ein Konsortium aus den stadteigenen Hamburger Energiewerken und dem Asset Manager Luxcara mit dem Bau seines 100-MW-Elektrolyseurs in Moorburg, der ab 2027 jährlich 10 000 Tonnen grünen Wasserstoff produzieren soll. Für die Auslieferung des H2 an die Industrie errichten die – ebenfalls stadteigenen – Hamburger Energienetze derzeit das neue Netz HH-WIN als Teil eines geplanten bundesweiten H2-Netzes, das schon 2032 etwa 1700 Kilometer umfassen soll. In Hamburg sollen ab 2027 40 Kilometer bereitstehen, weitere 20 Kilometer bis 2031/32 folgen.
Das Interesse an einem Netzanschluss ist groß: „Uns liegen zahlreiche Absichtserklärungen vor, ein gutes Dutzend Unternehmen aus der Metall-, Luftfahrt- und Chemieindustrie sowie aus der Hafenwirtschaft hat bereits Verträge geschlossen“, erklärt ein Sprecher der Energienetze. So hat etwa tesa bereits einen 25-MW-Anschluss für H2 beauftragt. Damit will der Konzern Erdgas in der Klebeband-Produktion ersetzen und mittelfristig rund 6000 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. Aurubis hat seinerseits im Sommer 2024 „H2-ready“-Anodenöfen installiert, um Kupfer in Zukunft mit Wasserstoff statt Erdgas raffinieren zu können.
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Bereits im Juli 2024 eröffnete die HHLA ein Testfeld für H2-betriebene Hafenlogistik samt zugehöriger Tankstelle am Container Terminal Tollerort. Der Konzern ermittelt dort mit seinen Partnerunternehmen im „Clean Port & Logistics Cluster“, ob sich H2 als Treibstoff für Schwerlastfahrzeuge wie Leercontainerstapler oder Zugmaschinen einsetzen lässt. Im Jahr 2027 soll dann auch das geplante Ammoniak-Importterminal von Mabanaft an den Start gehen (siehe auch hier).
Die Hürde hoher Stromkosten
Bereits auf grünen Wasserstoff umgestiegen sind die Ölwerke Schindler GmbH, eine Tochter des Chemiekonzerns H&R, die seit 2017 einen eigenen Fünf-Megawatt-Elektrolyseur im Hafen betreiben. Die Spezialitätenraffinerie mit 350 Mitarbeitenden in Hamburg produziert hier jährlich etwa 500 Tonnen Wasserstoff, mit dem sie Erdöl zu medizinischem Weißöl veredelt. Obwohl die Anlage regelflexibel arbeitet, also kostengünstige Stromüberschüsse in sonnen- und windreichen Zeiten ausnutzt, reicht dies jedoch nicht aus, um die „auch 2024 deutlich zu hohen Stromkosten in Deutschland“ zu kompensieren, erklärt Detlev Wösten, Chief Sustainable Officer von H&R. Das per Elektrolyseur erzeugte grüne H2 sei immer noch deutlich teurer als konventioneller „grauer“ Wasserstoff.
Netzwerken Die Wasserstoff-Gesellschaft Hamburg setzt sich seit 30 Jahren für die Einführung von H2 in die Energiewirtschaft ein. Sie bietet eine Plattform für den Austausch zu allen wichtigen Themen in Bezug auf Wasserstoff und engagiert sich für eine Informationsvermittlung zu diesen Themen.
„Die Motivation von H&R, grünen Wasserstoff einzusetzen, kann sich daher bislang leider nicht aus wirtschaftlichen Erwägungen begründen, sondern muss als Aufwand im Rahmen unseres Transformationskonzeptes verstanden werden“, führt der CSO aus. H&R wolle sein Produktportfolio perspektivisch „von der bisherigen fossilen DNA entkoppeln“ und „synthetisierte, biobasierte und recycelte Grundstoffe anbieten“. Der Wert der PEM-Anlage (PEM = Protonen-Austausch-Membran) liege „vor allem in ihrer Wirkung als Leuchtturmprojekt“ und in der Einsparung von CO2-Emissionen.
Für eine sichere und wirtschaftliche Versorgung mit grünem Wasserstoff müssen also die Strompreise deutlich sinken, weltweit H2-Produktionsstätten entstehen und effiziente H2-Lieferketten geschaffen werden. „Einige für die Erzeugung von Wind- und Solarstrom besonders geeignete Länder bauen bereits ihre Kapazitäten mit Exportfokus aus“, sagt Michael Eggenschwiler, Vorstandsvorsitzender der Wasserstoff-Gesellschaft Hamburg. „Diese Entwicklungen müssen aktiv mitgestaltet werden, um technologieoffen und innovationsfördernd ein wettbewerbsfähiges Marktgefüge zu erreichen.“ Welchen Beitrag Wasserstoff zur Energiewende leisten wird, bleibt letztendlich offen – doch zum Erreichen der Klimaziele ist er bisher unabdingbar.
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