Grün in die Zukunft

Nachhaltigkeit ist ein Innovationstreiber – doch auf dem Weg zur klimaneutralen, ökologischen Wirtschaft sind noch einige Hürden zu überwinden. Die HW hat drei Hamburger KMU besucht, die sich der Umwelt verpflichtet sehen.
SUND Group
Nachhaltig wirtschaften: Die SUND Group in Rahlstedt setzt auf Recyclingmaterialien sowie eine von Solarstrom versorgte neue Firmenzentrale.

Von Jan Freitag, 5. April 2024 (HW 2/2024)

Karen Queitsch
SUND Group
Karen Queitsch leitet bei der SUND Group die Nachhaltigkeitsabteilung, die der Geschäftsführung zugeordnet ist.

Wer eine lebenswerte Zukunft aktiv mitgestalten will, muss schnell agieren. Das war auch Karen Queitsch klar, als ihr Bereich „Nachhaltigkeit & Innovation“ der Geschäftsführung der SUND Group zugeordnet wurde. Der Rahlstedter Mittelständler, der vorwiegend Müllbeutel und Haushaltshelfer aus Recyclingmaterial herstellt, setzte damit ein Zeichen, um sein ökologisches Geschäftsmodell zukunftsfähig zu machen.

Zu den Maßnahmen, die in diesem Geiste ergriffen wurden, gehörte etwa der 2023 abgeschlossene Neubau einer energieneutralen Firmenzentrale, die mit ökologischen und recycelbaren Baustoffen errichtet wurde und deren Dach zahlreiche Photovoltaik-Elemente und Grünflächen beherbergt. Doch die Abteilungsleiterin des Unternehmens, das einst Jutebeutel produzierte und damit von vornherein auf Kreislaufwirtschaft setzte, will Nachhaltigkeit auch in der Ausbildung verankern – und das Jobprofil „Büro- und Industriekaufleute“ um „Nachhaltigkeitskauffrau oder -mann“ erweitern. „Wir haben den Ehrgeiz, da das erste Ausbildungsunternehmen zu werden“, beschreibt Queitsch ihr ambitioniertes Ziel.

Netzwerke und Kooperationen

Um „Nachhaltigkeit in der Unternehmensmission und -vision strategisch zu verankern“, hat Queitsch eine Agentur beauftragt. Denn echter Wandel ist nicht allein mit Bereitschaft und Überzeugung möglich, er erfordert auch zusätzliche Kapazitäten und Kenntnisse. Ohne entsprechendes Personal, gibt Frank Tießen vom Handelskammer-Geschäftsbereich „Nachhaltigkeit und Mobilität“ zu bedenken, fehlt es jedoch rasch an beiden Faktoren. Ein Mangel, dem auch die Handelskammer Hamburg Bildungs-Service gGmbH (HKBiS) entgegentreten will – mit „Info-Veranstaltungen, Netzwerktreffen, Telefonberatungen, Weiterbildungsangeboten“, so der Teamleiter Industrie, Energie, Umwelt, der aus dem Aufzählen kaum herauskommt.

Die 2003 gegründete UmweltPartnerschaft Hamburg setzt auf die Verzahnung von Umweltschutz und wirtschaftlichem Erfolg – und richtet sich an alle Unternehmen, die in Hamburg freiwillige Umweltschutzleistungen erbringen oder erbringen möchten. Träger sind die Handels– und die Handwerkskammer, der IVH Industrieverband Hamburg e. V. und der Unternehmensverband Hafen Hamburg e. V. Eine kostenlose Einstiegsberatung zu allen Umwelt- und Energiethemen bietet das Team Energie-Umwelt-Beratung der Handelskammer. Die Innovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg will die Kommunikation zwischen Unternehmen und Wissenschaft verbessern und vermittelt entsprechende Kontakte.

Als wichtige Plattform für den ökologischen Wandel nennt er etwa die UmweltPartnerschaft Hamburg: eine unter anderem von der Handelskammer getragene Institution mit bisher gut 1600 teilnehmenden Firmen, die mehr für den betrieblichen Umweltschutz tun wollen. Mit der Hilfe von Fachleuten für Effizienzmaßnahmen und Rechtsfragen, Tutorials und Lehrgängen oder dem regelmäßigen Stammtisch Energie und Umwelt – und mit dem Ziel, Nachhaltigkeit und Rentabilität zu verbinden.

Doch natürlich geht es auch um das, was Eike Higgen von Weiss Technik „gute Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft“ nennt. Seit 53 Jahren stellt der Marktführer Simulationsanlagen her, um die Belastbarkeit von Geräten durch Staub, Kälte, Druck oder Hitze zu testen – von Handys bis Lkw. „Ein energieintensives Verfahren“, sagt der Hamburger Niederlassungsleiter – schließlich bedarf es dabei extrem trockener Umgebungsluft.

Um Wege zum Energiesparen zu finden, hat sich Higgens Zweigstelle mithilfe der Innnovations Kontakt Stelle (IKS) Hamburg, zu deren Partnern die Handelskammer gehört, mit dem Institut für technische Thermodynamik vernetzt. Das gemeinsame Ziel: ein Modell „optimierter Luftentfeuchtung“, das Higgen mit Fördermitteln der IFB „am eigenen Versuchsstand nachstellen, validieren und weiterentwickeln“ will. Und weil das Traditionsunternehmen seit 2021 auch Batterien fertigt, bringt das Hochschulteamwork zusätzlich die Mobilitätswende voran – und stärkt Hamburg als Forschungs- und Produktionszentrum.

Bürokratische Hürden

Nicht nur die Hilfsangebote und Kooperationen, die Unternehmen zu nachhaltigeren Produktionsprozessen verhelfen, sind breit gefächert. „Auch das Themenspektrum im Nachhaltigkeitsbereich ist es“, berichtet Beraterin Katharina Keienburg aus dem IKS-Alltag. Ob es um die Optimierung alter Maschinen und Prozesse, die Entwicklung neuer Technologien und Materialien, die Verbesserung von Arbeitsabläufen oder Akzeptanzfragen geht: Überall gibt es Verbesserungsmöglichkeiten, bei deren Realisierung die IKS ebenso helfen kann wie die Handelskammer.

Dirk Pieper Zrkular
ZRKULAR UG
Dirk Pieper, Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups ZRKULAR

Und diese Hilfe beinhaltet nicht zuletzt auch Unterstützung beim Umgang mit der Bürokratie, die gerne mal Steine in den Weg zur profitablen Nachhaltigkeit legt. Dirk Pieper zum Beispiel möchte mit seinem Start-up ZRKULAR seit 2022 durch seine CO2-sparenden Bodenbelege der Marke „paprfloor“ zur Energiewende beitragen. Doch von Förderprogrammen, so der geschäftsführende Ingenieur, habe er „nur schwer erfahren“.

Um das von der Handelskammer gesetzte Ziel zu erreichen, Hamburgs Wirtschaft bis 2040 klimaneutral aufzustellen, sind also auch Politik und Verwaltung gefragt. Doch wie die kürzlich auf Initiative der Handelskammer erstellte OECD-Studie „Climate neutrality of the Hamburg economy by 2040“ zeigt, ist es durchaus erreichbar.

Die SUND Group beschreitet jedenfalls dezidiert diesen Weg. Doch über ökologische oder ökonomische Bilanzen entscheide am Ende „noch immer der niedrigste Preis“, so Karen Queitsch. Und manchmal auch der HVV. Hamburg sei „ein guter Standort nachhaltiger Produktion“, betont sie. Doch trotz aller Anstrengungen, „grün zu werden, kriegen wir an der Grenze zu Schleswig-Holstein keine Bus- oder Bahnstation“. Im Biotop nachhaltiger KMU bleibt also viel zu tun, um die Welt von morgen schon heute zu gestalten.


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