Das Video hat längst Kultstatus. Im April 2007 fragte ein Reporter den damaligen Microsoft-Chef Steve Ballmer zum iPhone, das Apple-CEO Steve Jobs kurz zuvor erstmals präsentiert hatte. Ballmer kriegte sich vor Lachen kaum ein und gluckste: „500 Dollar für ein Telefon mit einem Mobilfunkvertrag? Das ist das teuerste Telefon der Welt. Es spricht noch nicht einmal Geschäftsnutzer an, weil es keine Tastatur hat. Damit ist es keine besonders gute Mail-Maschine.“
So kann man sich irren! Apples Smartphone-Innovation hat Tastenmodelle wie das Blackberry inzwischen längst in die digitalen Jagdgründe befördert – getreu dem Leitzsatz der Makroökonomie, dass jede ökonomische Entwicklung auf dem Prozess der schöpferischen Zerstörung aufbaut.
Doch was ist Innovation eigentlich? Die Suchmaschine Google, die das Internet revolutioniert hat, wirft zu diesem Stichwort sagenhafte 2,4 Milliarden Ergebnisse aus. Dabei ist der Ursprung des Wortes ganz einfach. Es ist aus dem lateinischen „innovare“ abgeleitet, auf Deutsch „erneuern“. Und für die Wirtschaft ist genau diese Erneuerung existenziell. „Ohne Innovationen sind Unternehmen nicht überlebensfähig“, sagt Dr. Michaela Ölschläger. Sie verantwortet bei der Handelskammer den Bereich „Innovation und Neue Märkte“.
Dabei denken manche bei Innovation nur an neue Produkte wie das iPhone, den 3D-Drucker oder den Airbag. „Doch das stimmt so nicht“, sagt Sebastian Theopold, Strategieberater bei Munich Strategy und Verfasser eines bundesweiten Rankings zu innovativen Mittelständlern. „Viele erfolgreiche und innovative Unternehmen haben um ihre Produkte zusätzliche Serviceleistungen angeboten oder ihre Geschäftsmodelle angepasst.“ Als Beispiele gelten Plattformen wie Facebook oder Instagram.
Ein kreativer Prozess
Doch wie kann in Unternehmen ein innovatives Klima gedeihen? „Es braucht zunächst die richtige Mischung aus Visionären und Praktikern“, sagt Michaela Ölschläger. Interdisziplinär und heterogen aufgestellte Teams seien wichtig, um neue Ideen zu entwickeln. Man könne Innovation nicht am Konferenztisch verordnen. „Viele Ideen entstehen bei zufälligen Treffen.“ Deshalb sieht die Handelskammer-Expertin, die 2013 mit einer Dissertation zum Thema „Innovation, Kreativität und regionale Entwicklung“ promoviert hat, den Trend zum Homeoffice auch mit einer gewissen Skepsis: „Persönlicher Kontakt ist wichtig für neue Ideen. In Videokonferenzen richtet sich der Fokus oft nur auf ein bestimmtes Thema. Das grenzt ein.“ Ölschläger sieht eine Parallele zum Online-Angebot von Zeitungen. „Dort wird oft nur ein bestimmter Artikel angeklickt und gelesen. In der gedruckten Version lese ich auch Themen, die ich zufällig entdecke. Das weitet den Blick.“
Innovation fängt oben an. Bei den Siegern stehen mutige, rastlose Chefs an der Spitze.
Sebastian Theopold
Dabei können Mittelständler bei Innovationen mit großen Unternehmen sehr wohl mithalten, so Ölschläger. „Konzerne verfügen zwar über größere Forschungsetats. Aber dafür sind kleine und mittlere Unternehmen agiler aufgestellt.“ Bei diesen Betrieben sind die Entscheidungswege kürzer, bestätigt auch Sebastian Theopold. „Der Kontakt zum Kunden ist enger. Die Mittelständler, die wir untersucht haben, melden im Schnitt pro 1000 Mitarbeiter etwa 25 bis 30 Patente an. Bei Konzernen sind es dagegen nur sechs im Schnitt.“
Der Erfolg, da tickt das Wirtschaftsleben nicht anders als das reale Leben, ist mitunter der größte Feind bei Innovationen. „Selbstzufriedenheit kann zu Trägheit führen, man ist weniger bereit, die Komfortzone zu verlassen“, sagt Ölschläger. Auch deshalb sieht sie Krisen durchaus als Chance. So habe die Pandemie die überfällige Digitalisierung in den Firmen entscheidend beschleunigt.
Für Neuerungen ist Kreativität also ebenso erforderlich wie Initiative – und hier ist zunächst die Unternehmensleitung gefragt. Für Theopold ist entscheidend, wie die Leitung eines Unternehmens mit Innovation umgeht. „Bei den Siegern stehen mutige Vordenker an der Spitze“, sagt der Strategieberater. Es brauche Chefs wie Günther Mull von Dermalog. Dermalog hatte auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle 2016 ein automatisiertes Fingerabdruck-Identifizierungssystem (AFIS) entwickelt, um Flüchtlinge mit mehreren Standorten zu registrieren.
Geeignete Strukturen schaffen
Um Firmen in Hamburg noch innovationsfreudiger zu machen, sucht die Stadt seit einiger Zeit verstärkt den Schulterschluss zwischen Wirtschaft und Wissenschaft. Mit der Regionalen Innovationsstrategie (RIS), erarbeitet unter Beteiligung von mehr als 300 Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung, Bildung, Kultur und Gesellschaft, sollen innovative und nachhaltige Lösungen für wichtige Gesellschafts- und Zukunftsbereiche entwickelt werden.
Fördermittel
Das Beratungscenter der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB) ist eine der zentralen Anlaufstellen in Hamburg für öffentliche Förderungen in den Bereichen Wirtschaft, Innovation und Umwelt. Die IFB informiert zu eigenen Förderprogrammen, aber auch zu anderen Landes- und Bundesprogrammen. Die Themen: Existenzgründung oder -festigung, Betriebsübernahme, Investitionen und Wachstum, Forschung, Entwicklung und Innovation, Umweltschutzmaßnahmen und außenwirtschafliche Aktivitäten. Mehr Informationen erhalten Sie hier. Zu einer Übersicht über weitere Aktivitäten der Stadt gelangen Sie hier.
Hamburg fokussiert sich auf die fünf Zukunftsthemen Gesundheit, Klima und Energie, Mobilität, Data Science und Digitalisierung. „Davon profitieren am Ende alle, nicht nur der Wirtschaftsstandort“, sagt Michael Westhagemann, bis Mitte Dezember 2022 Senator für Wirtschaft und Innovation. „Innovationen müssen multidimensional ausgerichtet sein. Das heißt ökonomisch, ökologisch und gesellschaftlich. Innovationen müssen den Menschen nutzen. Sie sind eine Vision und Chance für die Zukunft.“
Dennoch sehen Unternehmen hierzulande durchaus Nachholbedarf. Matthias Gronstedt, Geschäftsführer von HHLA Sky (siehe auch „Freihafen der Innovationen“), übt deutliche Kritik: „Wir geben in Deutschland mehrere Milliarden für Forschung aus. Dort entstehen tolle Ideen, die man am Weltmarkt verkaufen kann. Leider gibt es für diesen Prozess kein Förderprogramm, das den Unternehmen signalisiert ‚Ich helfe Euch jetzt, dieses Projekt auf die Straße zu bringen‘.“ Gronstedts Kollege Lothar Müller fügt hinzu: „Wir haben in Deutschland eine exzellente Forschung. Das Problem ist die Adaption am Markt. Viele Unternehmen richten ihren Fokus zu sehr auf das Bestandsgeschäft und weniger darauf, neue Produkte zu entwickeln.“
Und was passiert mit den Opfern der kreativen Zerstörung? Schriftsetzer etwa galten bis zur Ablösung des Buchdruckes durch den Offsetdruck als „Jünger der Schwarzen Kunst“ – Innovationen können komplette Berufsbilder vernichten. Michaela Ölschläger sieht nur einen Weg aus diesem Problem: „Wir brauchen lebenslanges Lernen.“