Die Zahlen beeindrucken: 2019 beendeten 2478 (11,6 Prozent) von 21 314 bei der Handelskammer gemeldeten Azubis ihre Lehre vorzeitig, 2020 immerhin 2176 (10,7 Prozent) von 20 244. Über die gesamte Ausbildungszeit betragen die Abbrüche gut 20 Prozent, schätzt Martin Wedemann. Mit seiner Kollegin Dagmar Kernreich unterstützt er Betriebe und Auszubildende dabei, Konflikte zu vermeiden und zu lösen. Allerdings, so der Ausbildungsberater der Handelskammer: „Oft melden sich die Parteien erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.“
Fehlzeiten sind ein Topthema
Zu den großen Knackpunkten gehört der Umgang mit Regeln: „Viele junge Leute haben heute mit der Pünktlichkeit ein Problem“, sagt Kernreich. „Bei meinen Gesprächen sind Fehlzeiten meistens das Topthema. Hinzu kommt der Vorwurf, dass man sich beidseitig nicht an Regeln hält. Auch um psychische Probleme, Sucht oder Diskriminierung geht es immer wieder.“ Die größten Fehler passieren dabei oft zu Beginn der Ausbildung, so Wedemann, der sich vorwiegend um Handelsberufe kümmert: „Von Anfang an muss eine Firma klare Regeln aufstellen, etwa wie bei einer Krankmeldung zu verfahren ist.“
Hilfe bei Problemen
Bei Problemen während der Ausbildung hilft unter anderem die Konfliktberatung der Handelskammer direkt oder vermittelt problemspezifisch weiter. Zum Beispiel an VerA, eine bundesweite, vom Bildungsministerium (BMBF) geförderte Initiative der SES-Stiftung (Senior Experten Service). Das Konzept: Mentoren unterstützen in 1:1-Tandems Auszubildende, die Probleme in der Berufsschule, im Betrieb oder im Privatbereich haben. Auch das Hamburger Institut für berufliche Bildung (HIBB) hilft mit seinem Beratungszentrum Berufliche Schulen (BZBS) weiter. Es unterstützt Auszubildende und Ausbildende bei Konflikten und persönlichen Problemen.
Und Kernreich, die vor allem Kaufleute betreut, betont: „Die Ausbildungsinhalte müssen klar und transparent festgelegt werden. Jede Berufsausbildung hat eine sachliche und zeitliche Gliederung, in der festgelegt wird, was zu leisten ist. Wenn beide Seiten von Anfang wissen, an was sie sich zu halten haben, besteht schon mal ein gutes Grundgerüst für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.“ Gerade kleinere Betriebe vergessen zudem bisweilen ihre Verantwortung für die Auszubildenden: „Man muss sich Zeit nehmen für den jungen Menschen“, sagt Wedemann. „Wenn man diese Zeit nicht hat, sollte man nicht ausbilden. Ein Azubi kostet nicht viel Geld, aber er oder sie kosten Zeit. Das muss man sich bewusst machen.“
Regelmäßiger Kontakt ist wichtig
Kernreich regt an, dass Ausbildende und Azubis einmal wöchentlich eine halbe Stunde miteinander reden. „Dabei sollte man gleich das Berichtsheft anschauen und abzeichnen, so wird auch dieses Tool sinnvoll genutzt.“ Auch ein regelmäßiger Kontakt zwischen Betrieb und Berufsschule, so die beiden Beratenden, hilft, Probleme zu erkennen.
Nicht alle jungen Leute kamen mit der virtuellen Beschulung im Lockdown zurecht, und insgesamt ist das Klima konfliktreicher geworden, meint Wedemann. Das führt er auch auf gesellschaftliche Entwicklungen zurück: Vielen Jugendlichen falle das Anerkennen von Autoritäten heute schwerer. Ein Grund mehr, früh ins Gespräch zu kommen – und bei Bedarf die Unterstützung der Kammer zu nutzen.