Krisen bieten Chancen

Geopolitische Krisen, Nachhaltigkeitsverpflichtungen und Bürokratie haben den Außenhandel 2024 herausgefordert. Dennoch ist es der hiesigen Wirtschaft gelungen, sich auf dem internationalen Markt als stabiler Partner zu positionieren.
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Der Wert der in Hamburg importierten Waren sank im ersten Halbjahr 2024 um rund acht Prozent auf 35,7 Milliarden Euro.

Von Timm Rohweder und Chan Sidki-Lundius, 29. November 2024 (HW 6/2024)

Die USA, China, die Niederlande und Frankreich: Das sind die wichtigsten Handelspartner von Hamburg, dem größten Außenhandelsplatz Deutschlands. Mit einem Gesamtwert von rund 27 Milliarden Euro blieb der Export hiesiger Unternehmen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nahezu unverändert. Ein Minus von rund acht Prozent hingegen gab es beim Import, der Wert eingeführter Waren lag bei 35,7 Milliarden Euro.

Da verwundert es nicht, dass die für das aktuelle Konjunkturbarometer der Handelskammer befragten Groß- und Außenhändler ihre Lage als „besonders schlecht“ bewerten. Der letzte Wirtschaftstest des AGA-Unternehmensverbandes bestätigt die Konjunkturflaute. „Der erneute Rückgang unseres Indikators um mehr als zehn Punkte macht die angespannte Lage im Groß- und Außenhandel offensichtlich“, bilanziert AGA-Präsident Dr. Hans Fabian Kruse.

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Ulrich Perrey
Geopolitische Risiken und EU-Regulierungen waren Thema des ersten Hamburger Außenwirtschaftstages der Handelskammer am 1. Juli.

Dass viele Unternehmen unter Druck stehen, führt er vor allem auf geopolitische Unsicherheiten, eine schwache Binnenkonjunktur und strukturelle Herausforderungen zurück. Diese Faktoren würden die Kosten treiben, eine weitere Verschärfung ergebe sich durch überbordende Bürokratie. Für 61 Prozent der befragten Unternehmen im Handelskammer-Konjunkturbarometer sind die aktuellen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen das größte Geschäftsrisiko.

Dabei sind dem Groß- und Außenhandel neben der Bürokratie hauptsächlich die vielen Regulierungen ein Dorn im Auge. Dass insbesondere kleinere Firmen darunter leiden, berichteten Teilnehmende des ersten Hamburger Außenwirtschaftstages der Handelskammer am 1. Juli. Die erfolgreiche Pre­miere bot international aktiven Unternehmen eine neue Plattform für Austausch und Vernetzung.

Themen waren unter anderem das Management geopolitischer Risiken und Nachhaltigkeitsregulierungen der EU wie etwa die Verordnung zu entwaldungsfreien Lieferketten (EUDR), die Ende 2025 erstmals angewendet werden soll. Die schrittweise Einführung des „Carbon Border Adjustment Mechanism“ (CO2-Grenz-Ausgleichs-Mechanismus, kurz CBAM) und die damit verbundene Meldepflicht forderte 2024 ebenfalls viele Unternehmen heraus.

Der CBAM soll verhindern, dass sich die Herstellung von Produkten wie Eisen, Stahl und Zement in Länder ohne strenge Klimaschutzregeln verlagert. Für Hamburg als Umschlagplatz dieser Rohstoffe bedeutet der CBAM eine Kostensteigerung und eine Anpassung der Lieferketten.

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Wie das aktuelle Konjunkturbarometer der Handelskammer bestätigt, könnte der Außenhandel 2025 moderat wachsen. Von den in der Branche aktiven Hamburger Unternehmen erwarten immerhin 32,3 Prozent eine Erhöhung ihres Exportvolumens in den kommenden zwölf  Monaten; 49,5 Prozent prognostizieren, dass es in etwa gleich bleibt.

Mit Nachhaltigkeit – und konkret: „grünem“ Wasserstoff – beschäftigte sich Mitte März auch die „Canada-Germany Hydrogen and Ammonia Producer-Offtaker Conference“. „Wir freuen uns zu sehen, dass die deutsch-kanadische Energiepartnerschaft erste Früchte trägt“, konstatierte Jan Rispens, Geschäftsführer der Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur GmbH (EEHH). „Mitglieder des Branchennetzwerkes und Hamburger Unternehmen zeigen mit ihren Engagements, dass die Nutzung von Wasserstoff für die deutsche Energiewende von der Vision zur Realität geworden ist.“ Hamburg trage zum Erfolg der Strategie für den Import von Wasserstoff wesentlich bei und werde sich zum zentralen Import- und Verteilzen­trum für grüne Energie entwickeln.

Im September thematisierte das Wirtschaftsforum Ukraine dann die Chancen, die der ukrainische Markt für Hamburger Unternehmen bietet, sowie die Investitionsmöglichkeiten im Zuge des Wiederaufbaus des Landes. Im Mittelpunkt der Kammeraktivitäten des kommenden Jahres werden unter anderem die Vertiefung internationaler Wirtschaftsbeziehungen und die Innovationsförderung stehen. Die elfte „India Week Hamburg“ vom 23. bis zum 29. Juni soll die Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Land fördern. Insbesondere die Zusammenarbeit in den Bereichen Digitalisierung und Innovation wird voraussichtlich weiter an Bedeutung gewinnen.

Auf der Internetseite der Handelskammer finden Sie Adressen Hamburger Im- und Exporteure, Aktuelles zum Zoll- und Außenwirtschaftsrecht, Konsulats- und Mustervorschriften, Ursprungszeugnisse und Bescheinigungen, Tipps für Geschäftsanbahnung im Ausland, wichtige Links – etwa zur EU-Datenbank „Access2Markets“ –, eine Übersicht anstehender Veranstaltungen und viele weitere Informationen.

Nach dem Erfolg der ersten „Hamburg Sustainability Conference“ (HSC) im Oktober, bei der Bundeskanzler Olaf Scholz die Eröffnungsrede hielt, soll das Format, das Lösungen für die sozial-ökologische Transfor­mation entwickeln will, Anfang Juni 2025 weitergeführt werden. Auch Innovationspartnerschaften, die Hamburg mit internationalen Partnern wie Dubai und Israel pflegt, sollen weiter vertieft werden. Denn sie sind ein wichtiger Faktor für die Entwicklung neuer Technologien zur Marktreife.

Wie das Konjunkturbarometer bestätigt, könnte der Außenhandel 2025 moderat wachsen. Von den in der Branche aktiven Hamburger Unternehmen erwarten immerhin 32,3 Prozent eine Erhöhung ihres Exportvolumens in den kommenden zwölf Monaten; 49,5 Prozent prognostizieren, dass es in etwa gleich bleibt. Potenziale für eine Stärkung von Hamburgs Wirtschaft im internationalen Wettbewerb bieten dabei vor allem Digitalisierung und Künstliche Intelligenz.

Doch damit der außenwirtschaftliche Aufschwung gelingt, ist auch die Politik gefordert. So fordert Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne gute Rahmenbedingungen, Investitionen in Infrastruktur und Innovationsfähigkeit sowie vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren. Hans Fabian Kruse wünscht sich „mehr Flexibilität und weniger Regulierung“. Ansonsten sei zu befürchten, dass die Fülle an Berichtspflichten und regulatorischen Hürden den Unternehmen die Luft weiter abschnüre.


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