Mehr als jedes zweite Unternehmen sieht im Fachkräftemangel eines seiner größten Geschäftsrisiken, so ein Ergebnis des aktuellen Handelskammer-Konjunkturbarometers. Bei der Mitarbeitergewinnung unterstützt die Kammer ihre Mitglieder in vielfältiger Weise: durch Veranstaltungen und Beratungen bis hin zur Interessenvertretung gegenüber der Politik.
Anfang 2025 veröffentlicht die Handelskammer ihr Standpunktpapier „Integration in den Hamburger Arbeitsmarkt. Potenziale von Menschen mit Migrationshintergrund nutzen“. Online wird das Papier verfügbar sein unter www.hk24.de/fachkraefte. Dort finden Sie auch eine Vielzahl weiterer Informationen zu den Themen Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung, darunter die Handelskammer-Fachkräftestrategie.
So war sie auch an der im April veröffentlichten „Hamburger Strategie zur Sicherung des Arbeits- und Fachkräftebedarfs“ des Hamburger Fachkräftenetzwerks beteiligt. Eins der darin beschriebenen Handlungsfelder ist die Fachkräftezuwanderung aus dem Ausland. Zu dieser Thematik hat die Handelskammer unter anderem ein Pilotprojekt gestartet, das jungen Usbeken eine Ausbildung in Hamburg ab 2025 ermöglichen soll.
Bei der Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften müssen auch andere Personengruppen angesprochen werden. Zum Beispiel die hier lebenden erwerbsfähigen Migrierten. Insbesondere Menschen aus den Top-Asylherkunftsländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Nigeria, Pakistan, Somalia und Syrien) stellen laut Arbeitslosenstatiken eine relevante Zielgruppe dar. Die Situation der Arbeitsmarktintegration von nach Hamburg eingewanderten Personen hat die Handelskammer erstmals analysiert. Die Ergebnisse sollen Anfang 2025 in einem Standpunktpapier veröffentlicht werden.
Fakt ist: Als wichtige Zielgruppe gelten migrantische Frauen. Denn sie sind, je nach Herkunftsland, teils deutlich seltener erwerbstätig als Männer. Sechs Jahre nach ihrer Ankunft arbeiten nur 23 Prozent der Frauen, bei den Männern sind es 67 Prozent. Woran liegt das? Grundsätzlich, so ein erstes Ergebnis der Handelskammer-Analyse, lassen sich drei Faktoren der Nicht-Beschäftigung von Frauen ausmachen: Bildungsniveau, Familienstruktur und Sprachkenntnisse.
Diese Herausforderungen müssen angegangen werden, um mehr Migrantinnen in Arbeit zu bringen. Das heißt: „Die Ansprache muss lebenslagenorientiert sein“, sagt Marion Wartumjan, Geschäftsführerin des Vereins Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Migranten, kurz ASM. Mütter könnten demnach zumindest ab dem 40. Lebensjahr für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen – dann, wenn ihre Kinder „aus dem Gröbsten raus“ sind. Das mag für einige befremdlich klingen, doch ein Blick in die Geschichte der Bundesrepublik offenbart ein ähnliches Rollenmodell: Bis 1977 durften Frauen nur arbeiten, wenn sie ihre Pflichten in Ehe und Familie nicht vernachlässigten – und darüber entschied der Ehemann.
Auf die Lebenssituation der Migrantinnen einzugehen, zielt neben der Frage nach Kinderbetreuungsangeboten auch auf Fluchterfahrung und Traumatisierung ab, auf die in individuellen, vertrauensvollen und kontinuierlichen Beratungsgesprächen eingegangen werden muss. Der Grund der Zuwanderung ist bei der Erwerbstätigkeit relevant: Frauen, die gezielt für eine Arbeitsaufnahme nach Deutschland kommen, verfügen über eine klare berufliche Perspektive und sind häufig besser vorbereitet. Bestenfalls kennen sie das Wirtschafts- und Bildungssystem und wissen von landesspezifischen Zugangsvoraussetzungen zum Arbeitsmarkt.
Und hier gibt es große Unterschiede: Generell haben Frauen aus EU-Staaten einen einfacheren Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt, da sie ohne Arbeitserlaubnis arbeiten dürfen. Frauen aus Nicht-EU-Staaten benötigen hingegen einen Aufenthaltstitel, der eine Arbeitsberechtigung enthält. Zudem gibt es für Zugewanderte aus EU-Staaten vereinfachte Regelungen zur Anerkennung bestimmter Berufsqualifikationen, wie durch den Europäischen Berufsausweis oder die EU-Berufsanerkennungsrichtlinie, die reglementierte Berufe automatisch anerkennt (etwa Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte). Zugewanderte aus Nicht-EU-Staaten müssen ein aufwendigeres Anerkennungsverfahren durchlaufen.
Auswahl an Angeboten zur Unterstützung und Vernetzung für Migrantinnen in Hamburg
Hamburg für Frauen WANITA – Interkulturelles Zentrum für Frauen FLAKS – Zentrum für Frauen in Altona LABOR am FLUCHTort Hamburg INCI HamburgKarola
Nicht selten gehen migrantische Frauen einer Tätigkeit nach, für die sie überqualifiziert sind. Die Gründe sind unterschiedlich und spielen oft zusammen: mangelnde Sprachkenntnisse, lange Anerkennungsprozesse, mangelnde bis fehlende Qualifikationen, „Mutterpflichten“ und so weiter. Dass der Einstieg in den Arbeitsmarkt zügig in eine Anstellung mündet, die den Eignungen der Arbeitnehmerinnen entsprechen, verfolgt das Frauennetzwerk „Perspektive Berufliche Anerkennung“ (PeBeA) von ASM. Das Netzwerk richtet sich an Frauen mit ausländischen Berufsabschlüssen, die in Hamburg nicht oder unterqualifiziert beschäftigt sind.
„Wir wollen Frauen stärken, sie an Qualifizierungs- und Weiterbildungsprojekte heranführen und ihnen ein Zugang zu bildungsadäquater Erwerbstätigkeit ermöglichen“, sagt ASM-Geschäftsführerin Wartumjan. Auf Bundesebene unterstützt unter anderem das Programm „MyTurn“ Frauen dabei, durch Bildungsmaßnahme bessere Arbeitsmarktchancen zu erlangen. Die Handelskammer plant für 2025 mehr Angebote für Migrantinnen zu schaffen und bestehende Unterstützungsangebote in der Stadt stärker zu bewerben.