Mobilität im Betrieb

Transport per Fahrrad oder E-Containerlaster, eigene Stromerzeugung per Photovoltaik, günstiges Deutschlandticket für Mitarbeitende: Hamburger Firmen unternehmen einiges, um Mobilität umweltfreundlich zu gestalten. 
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Bis zu 425 Kilogramm Ware bewegen die E-Lastenräder von tricargo – und der Radlogistiker produziert sie selbst.

Von Eric Leimann, 9. Juni 2023 (HW 3/2023)

Der Verkehr ist ein Sorgenkind aller CO2-Reduktionspläne. Im Jahr 2019 lagen die Gesamtemissionen des Pkw- und Lkw-Verkehrs in Deutschland noch immer auf dem Niveau von 1990. Eine gewichtige Rolle spielen dabei auch die Wege, die Beschäftigte für ihren Arbeitgeber zurücklegen. „Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes machen bei vielen Firmen im Dienstleistungsbereich die Arbeits- und Dienstwege 50 Prozent der CO2-Emissionen des Verkehrs aus“, sagt der Hamburger Mobilitätsforscher Thomas Krautscheid.

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Markus Horstkötter, Geschäftsführer von Buhck Hamburg

Sein Forschungsinstitut Quotas arbeitet schwerpunktmäßig zum Verkehr, häufig direkt für Unternehmen, die ihre Mobilitätskonzepte verändern wollen. Dafür „gibt es mittlerweile eine hohe intrinsische Motivation“, so Krautscheid. „Die Unternehmen wollen selbst etwas tun. Vor allem, wenn sie viele junge Mitarbeitende haben. Sie wollen, dass die Firma modern und zukunftsfähig aufgestellt ist. Sonst haben sie keine Lust, dort zu arbeiten.“

Hinzu kommen neue gesetzliche Verpflichtungen: Aufgrund der Anfang Januar 2023 in Kraft getretenen CSRD-Richtlinie der EU werden in den kommenden Jahren immer mehr Unternehmen verpflichtet sein, ihr Mobilitätsverhalten zu analysieren, zu dokumentieren und konkrete Maßnahmen in Richtung Klimaneutralität auf den Weg zu bringen.

Abfallentsorgung per E-Lkw

Wie man sich auch als Abfallentsorger und -verwerter dem Umweltschutz verschreiben kann, zeigt die Buhck Gruppe, seit 2019 erster klimaneutraler Umweltdienstleister Deutschlands. Derzeit erbringt das Unternehmen dafür noch Kompensationsleistungen wie die Renaturierung des Herrenmoores in Schleswig-Holstein. „Bis 2030 wollen wir uns aber aus eigener Kraft klimaneutral nennen können“, sagt Klimaschutzmanagerin Svenja Gelpke. „Dafür investieren wir unter anderem in den Ausbau der elektrischen Infrastruktur und eigener Stromerzeugungsquellen sowie die energetische Sanierung der Bestandsgebäude.“

Als ersten Schritt zu nachhaltiger Mobilität erfasste die Gruppe den Ist-Zustand. Dazu Gelpke: „Wir haben festgestellt, dass der größte Anteil unserer Treibhausgasbilanz – 65 bis 70 Prozent – von unserem Fuhrpark mit rund 380 Fahrzeugen verursacht wird wie Radladern, Lkw, Gabelstaplern und Müllfahrzeugen.“ Um den Fahrbetrieb auf den Betriebshöfen zu analysieren und effizienter zu gestalten, setzte Buhck unter anderem Drohnentechnologie ein.

In der Folge schaffte das Unternehmen für rund 750 000 Euro zwei schwere, rein elektrisch betriebene Containerfahrzeuge an – eine Premiere in Norddeutschland. Mit ihrer „leisen Art“ zählen sie in der Branche derzeit noch zur Avantgarde. „Das führt tatsächlich auch zu einer großen Neugierde auf den Baustellen, und unsere beiden E-Lkw-Fahrer lassen sich gerne vor Ort zu ihren elektrischen Fahrzeugen und ihrer Erfahrung befragen“, sagt Markus Horstkötter, Geschäftsführer von Buhck Hamburg. „Sie freuen sich, Pioniere in diesem Bereich zu sein, und gehen durch die enorme Geräuschreduzierung während der Nutzung auch sehr viel entspannter in den Feierabend“,

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tricargo-Mitgründer Björn Fischer. Sein Unternehmen liefert nicht nur auf Lastenfahrrädern aus, sondern stellt sie auch selbst her.

Dabei ist Horstkötter überzeugt, dass sich die Energie für Mobilität in einer „kraftintensiven“ Branche wie der Abfallentsorgung nur durch selbst produzierten Strom aus Photovoltaik (PV) wirtschaftlich erzeugen lässt: 2ndlifesolar, eine Firma der Gruppe, bereitet gebrauchte PV-Module auf – und auf dem Dach des Gruppenunternehmens HME sitzt seit 2021 eine PV-Anlage.

Lebensmitteltransport per Rad

Im Gütertransport arbeitet auch der Hamburger Radlogistiker tricargo, der mit selbst gebauten Fahrrädern Lasten bis zu 425 Kilogramm klimaneutral im Hamburger Stadtgebiet zustellt. Im Jahr 2016 begann das Unternehmen, mit großen Lastenrädern Biolebensmittel auszufahren – und unterstützte andere umweltbewusste Auftraggeber bei der klimaneutralen Zustellung. Schon bald erwies sich, dass klassische Lastenräder dem hohen Gewicht und der intensiven Nutzung nicht lange standhalten. Daraus entwickelte sich ein weiteres Standbein: tricargo begann, eigene Fahrzeuge zu bauen.

„Seit 2020 verkaufen wir unsere Fahrzeuge in Serie, als ganz normales Pedelec mit 25 km/h, rechtlich dem Fahrrad gleichgestellt“, sagt Ingenieur und Unternehmens-Mitgründer Björn Fischer.  Auch wenn laut Fischer momentan etwa jeden zweiten Monat ein neuer Lastenrad-Hersteller den europäischen Markt betritt, stünde die Branche immer noch ganz am Anfang einer hoffentlich exponentiellen Entwicklung. 70 Räder habe man bisher verkauft, allein 100 könne man aber jetzt schon pro Jahr  bauen.

Umweltberatung

Der Verkehrssektor ist für rund ein Drittel der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich. Die Umweltberatung der Handelskammer unterstützt deshalb Mitgliedsfirmen, ihre Mobilitätskonzepte neu zu gestalten, passende Förderprogramme zu identifizieren – und bietet eine kostenlose Einstiegsberatung zu allen Umwelt- und Energiethemen. Über ein Booking-Tool können Termine online gebucht werden. Telefonisch erreichbar ist die Umweltberatung der Handelskammer unter 36138979.

Wirtschaftlich ist die Produktionssparte noch nicht, bisher wird sie durch den Lieferdienst querfinanziert. Mit 18 festen Mitarbeitenden und drei Logistikzentren ist tricargo derzeit auf dem Hamburger Stadtgebiet für 1800 gewerbliche Stopps pro Woche verantwortlich. Doch erst, wenn die großen Logistik-Dienstleister aufgrund der EU-Gesetzeslage die Zustellung per Fahrrad in ihre Strategie einbeziehen, glaubt Fischer, wird seine Branche tatsächlich exponentiell wachsen.

Umweltfreundliche Arbeitswege

Hamburger Unternehmen tun also einiges, um Transportwege umweltfreundlich zu gestalten. Das gilt auch für die Arbeitswege der Belegschaft. So haben bereits zahlreiche Firmen Diensträder angeschafft, die sich auch privat nutzen lassen. Andere sparen Arbeitswege durch großzügige Homeoffice-Regelungen ein. Manche Unternehmen unterstützen Initiativen für die Bildung von Fahrgemeinschaften – oder geben Mitarbeitenden die Möglichkeit, ihre E-Fahrzeuge auf dem Gelände aufzuladen.

Mehr als 3000 Unternehmen mit insgesamt über 200 000 Mitarbeitenden fördern zudem die ÖPNV-Benutzung mit dem HVV-ProfiTicket, das am 1. Mai zum bundesweit gültigen Deutschlandticket wurde. Mitarbeitende zahlen dafür ab 34,30 Euro, Unternehmen bezuschussen es mit mindestens 12,25 Euro.

Sinnvoll ist etwa auch ein monatliches Mobilitätsbudget, das Mitarbeitenden zur Verfügung gestellt wird, um dienstliche und private Fahrten mit flexibel gewählten Verkehrsmitteln auch ohne persönlichen Firmenwagen absolvieren zu können. Sicher ist jedenfalls: Die Herausforderungen, die der Klimawandel stellt, gehen uns alle an – und wir müssen uns alle umstellen, auch in Bezug auf unsere Mobilität.

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