Schlüssel für eine wettbewerbsfähige Wirtschaft

Hamburg ist die größte Industriestadt Deutschlands. Doch Krisen und fehlende Fachkräfte sowie steigende Energiepreise und Rohstoffmangel bedrohen die Wettbewerbsfähigkeit der Branche, für die sich die Handelskammer auch 2023 wieder stark engagiert hat.
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Arubis, früher Norddeutsche Affinerie, ist der weltweit führende Kupferprodzuzent.

Von Dr. Dirk Lau, 4. Dezember 2023 (HW 6/2023)

Die Aktivitäten der Handelskammer im Bereich der Industrie standen im Jahr 2023 ganz im Zeichen der gegenwärtigen Krisen. Diese haben die Bedeutung der Branche für den wirtschaftlichen Wohlstand sowie zur Bewältigung der Zukunftsherausforderungen wieder ins Bewusstsein gehoben. Das gilt in besonderer Weise für Hamburg, die größte Industriestadt Deutschlands. „Ein Fünftel der Wertschöpfung und Beschäftigung hängt hier an diesem Wirtschaftszweig mit seinen bis zu 10 000 steuerpflichtigen Betrieben“, sagt Jan-Oliver Siebrand, Leiter des Handelskammer-Bereiches „Nachhaltigkeit und Mobilität“. „Im Hamburger Hafen befindet sich auch das größte zusammenhängende Industriegebiet Deutschlands.“

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Ulrich Perrey
Jan-Oliver Siebrand ist Leiter des Handelskammer-Bereiches „Nachhaltigkeit und Mobilität“.

Die Industrie der Hansestadt begründet nicht nur Wirtschaftskraft, sondern durch sie entstehen auch Einkünfte, Lieferketten und Verbindungen zu anderen Orten. Zu Hamburger Industrieprodukten zählen internationale Marken aus den Bereichen langlebiger Konsumgüter, Kosmetik, Gesundheitswirtschaft und Getränke sowie die Luftfahrt. Metalle, Kunststoffe und elektronische Komponenten aus Hamburg werden an anderen Orten weiterverarbeitet. Damit leistet die hiesige Industrie einen wichtigen überregionalen Beitrag für Versorgung und Prosperität.

Die Branche ist auch Schlüssel für eine dekarbonisierte und zugleich wettbewerbsfähige Wirtschaft. Aus Hamburg kommen zum Beispiel wesentliche Materialien zur Energiewende – etwa Kupfer, Stahl und Aluminium für Erzeugungsanlagen von erneuerbaren Energien sowie Schmierstoffe und Reifen für elektro- und wasserstoffgetriebene Fahrzeuge. Auch elektronische Komponenten, die bei Energieeffizienz helfen, werden in der Hansestadt produziert. Lokal vorangetrieben wird zudem die Produktion von E-Fuels, die eine Brücke bilden, bis fossilfreie Antriebe verfügbar sind.

„Die Bekämpfung des Klimawandels braucht eine starke Industrie“, so Jan-Oliver Siebrand. „In diesem Wirtschaftszweig stoßen deutsche Unternehmen deutlich weniger CO2-Emissionen aus als internationale Wettbewerber. Hamburger Industriebetriebe sind in dieser Hinsicht oft Vorreiter und können eine klimaneutrale Produktion früh erreichen.“ Allerdings sind ihre Resilienz und Wettbewerbsfähigkeit bedroht. Wettbewerbsfähige Energiepreise, verfügbare Rohstoffe und Vorprodukte, ausreichend Flächen sowie ein Fachkräftebestand, der den Anforderungen der Branche genügt, sind nicht mehr selbstverständlich, wie auch das ausklingende Jahr gezeigt hat. Die Pandemie hat Lieferketten unterbrochen. Die Folgen erlebte man auch in den vergangenen Monaten noch, unter anderem bei Medikamenten und Fahrzeugreparaturen.

Handelsblöcke entstehen, sodass Rohstoffe weniger umfassend verfügbar sind. „Ukraine-Krieg und Konflikte im Nahen Osten führen nicht nur zu Flucht und Migration, sondern verknappen auch Energieträger“, konstatiert Siebrand. „Dadurch sind die Energiepreise in Deutschland, insbesondere für Strom, massiv gestiegen.“ Zwar seien die Preise im Laufe der vergangenen Monate auch wieder gesunken, und die Politik habe extreme Preiserhöhungen teilweise gemindert. „Aber die Strompreise in Deutschland sind im internationalen Vergleich noch immer sehr hoch, verursacht auch durch die deutsche Netz-Regulatorik über Umlagesysteme und Steuern.“

An kaum einem anderen europäischen Standort tritt die Grundstoffindustrie so konzentriert auf wie in Hamburg. Unter anderem sind hier der weltweit führende Kupferkonzern Aurubis, das Stahlwerk ArcelorMittal und die Aluminiumhütte Trimet ansässig. Airbus und Lufthansa Technik machen Hamburg zum weltweit drittgrößten Standort des zivilen Flugzeugbaus. Und mit Beiersdorf zählt das einzige DAX-Unternehmen der Stadt ebenfalls zum produzierenden Gewerbe. Auch haben sich hier viele Unternehmen aus dem Windenergiebereich mit ihrem Verwaltungssitz oder einer Zweigniederlassung angesiedelt. Darüber hinaus ist Hamburg Standort bedeutender Schaltzentralen internationaler Industriekonzerne, darunter Shell, BP, Siemens und Philips sowie Hauptsitz für industrielle Weltmarktführer wie Körber und Jungheinrich. Mehr Informationen hier.

Die stromintensive Industrie ist besonders betroffen. Zudem gewähren andere Staaten diesem Wirtschaftszweig besonders günstige Strompreise. Vor allem die in Hamburg stark vertretene Grundstoffindustrie, die mit ihren Gütern an Welthandelspreise gebunden ist, wird dadurch in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv geschwächt. Betriebsschließungen und Abwanderung drohen mit Folgen für Wohlstand und Klimaschutz („Carbon Leakage“). Tendenzen der Deindustrialisierung sind bereits sichtbar.

Die Handelskammer bringt sich für eine starke Industrie ein, indem sie am sogenannten „Masterplan Industrie“ von 2007 mitwirkt. Dieses Bündnis von Stadt, Handelskammer, Gewerkschaften und Industrieverband arbeitet für die Branche an Standortbedingungen wie Planverfahren und Flächenverfügbarkeit. Der „Masterplan“ wurde im Laufe der Jahre fortgeschrieben und die gemeinsame Arbeit im Mai 2023 bekräftigt. Energie- und Strompreisentwicklungen waren Anlass sowohl für den Handelskammer-Ausschuss für Industrie als auch für das Plenum, sich mit den Forderungen nach einem „Industriestrompreis“ zum temporären Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen stromintensiver Betriebe zu befassen.

Um den Ausbau erneuerbarer Energien, deren Erzeugungskosten günstig sind, zu beschleunigen, bieten sich langfristige Stromlieferverträge aus diesen Quellen an. Die gerade erst im November vom Plenum verabschiedete Strategie für den Außenhandelsstandort Hamburg beruht auf Anforderungen auch der Industrie. Im regelmäßigen Austausch mit Senat und Verwaltung werden diese Forderungen eingebracht.

„Unterlegt sind diese Impulse durch den regelmäßigen Austausch mit den Industrie-Mitgliedern der Handelskammer“, berichtet Jan-Oliver Siebrand. „Dabei wurde deutlich, dass die Bedeutung der Hamburger Industrie für die Zukunftsfähigkeit von Wirtschaft und Gesellschaft überregional und international sichtbarer werden sollte.“ Auch im Jahr 2024 wird die Handelskammer diese Wege der Interessenvertretung weiterverfolgen und die Aufmerksamkeit auf die Bedingungen und die Bedeutung der Hamburger Industrie lenken.

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