Von Kerstin Kloss, 2. August 2024 (HW 4/2024)
Als Sascha Ehrich 2004 bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) anfing, war er gelernter Konstruktionsmechaniker und hatte sich vorher nie mit Computern beschäftigt. Auf dem Container Terminal Altenwerder (CTA), der am stärksten automatisierten Umschlagseinrichtung im Hafen, kann er sich heute permanent weiterbilden. Zuvor benötigte er eine zusätzliche Ausbildung zum Mechatroniker und erhält seither regelmäßig Schulungen, etwa für die Software, mit der die Containerbrücken gesteuert werden.
Für die gewerbliche Aus- und Weiterbildung betreibt die HHLA unter anderem eine eigene Fachschule. „Wir fördern mit hoher Ausbildungsqualität systematisch die Kompetenzen unserer Mitarbeitenden, um weiterhin fit für die Zukunft aufgestellt zu bleiben“, erklärt Clarissa Groß, Leiterin Personalentwicklung. Dafür beteiligt sich das Unternehmen unter anderem an dem Verbundprojekt „PortSkill 4.0“.
Im Fokus stehen künftig veränderte Jobprofile und entsprechende Weiterbildungen für operative, technische und administrative Hafenarbeit unterhalb des akademischen Bildungsniveaus. „Es geht für uns auch darum, Wege zu finden, das Lernen zu lernen, und damit flexibel auf neue Technologien und Anforderungen eingehen zu können“, sagt Groß. Ende 2024 startet am CTA im Rahmen von Portskill ein digitales Test- und Trainingscenter für neue Weiterbildungstechniken.
Perspektiven der Weiterbildung
Fördermöglichkeiten Strukturwandel, Digitalisierung, Fachkräftemangel – für diese Bereiche gibt es Förderinstrumente der Arbeitsmarktpolitik. Informationen zur Qualifizierungsoffensive der Bundesagentur für Arbeit, unter anderem zum Qualifizierungsgeld, erhalten Sie unter www.t1p.de/arbeitsagentur-foerderung oder bei Ihrem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit vor Ort. Der gemeinsame Arbeitgeber-Service bietet monatlich auch Online-Informationsveranstaltungen zum Thema „Förderung von Weiterbildungen für die Mitarbeitenden“ an. Über weitere Förderungsmöglichkeiten, die gegen den Fachkräftemangel wirken sollen, informieren wir Sie auf Seite 50.
Unterschiedliche Lernformen kombiniert auch die Handelskammer Hamburg Bildungs-Service gGmbH (HKBiS) bei Kursen mit IHK-Abschluss. Anfang Juni initiierte die HKBiS eine künftig jährliche „Hamburger Weiterbildungsumfrage“, bei der mehr als 1200 Personen aus Unternehmen mitmachten, die Hälfte davon Lernende.
Ergebnis: „Blended Learning“ – ein Mix aus Präsenzunterricht, Live-Webinaren und unterstützenden E-Learning-Bausteinen – ist mit 37 Prozent die am meisten geschätzte Lernform. Bei den relevanten „Future Skills“ führt Digitalisierung (31 Prozent), gefolgt von Unternehmertum (24 Prozent), Transformation (23 Prozent) und Nachhaltigkeit (22 Prozent). „Beliebte Themen sind Führung, Train the Trainer, Künstliche Intelligenz oder Prozess- und Projekt-Management“, berichtet Timo Eppler, HKBiS-Leiter „Kooperationen“. Die Umfrage ergab, dass knapp die Hälfte der Teilnehmenden einen anerkannten Abschluss wichtig findet.
An der „Hamburger Weiterbildungsumfrage“ beteiligten sich vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU), nur 17 Prozent kamen aus Firmen mit mehr als 250 Personen. Tatsächlich sind kleine Betriebe fast genauso häufig aktiv wie Großunternehmen. Das ist das Ergebnis einer Studie zur „Weiterbildungskultur in KMU“, die das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ (KOFA) im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz Mitte Juni veröffentlichte. Beschäftigte in kleinen Firmen verbrachten laut KOFA 2022 durchschnittlich 23,9 Stunden mit Weiterbildung, in mittleren Unternehmen 19,1 und in großen 18,1. Allerdings bremsen fehlende zeitliche Ressourcen bei 62,2 Prozent der KMU noch mehr Aktivitäten.
Fördermittel der Arbeitsagentur nutzen
Konzerne profitieren vielfach von Kostenvorteilen, weil sie mehr Personen bei Bildungsträgern anmelden können. Dank der Neufassung des Qualifizierungschancengesetzes seit April stellt die Agentur für Arbeit seit April mit dem Qualifizierungsgeld mehr Fördermittel für alle Betriebsgrößen bereit – und stärkt so auch die Weiterbildung in KMU.
„Die Gesetzesnovelle adressiert Menschen, die einen Beruf erlernt haben, dessen Ausbildungsabschluss länger als zwei Jahre zurückliegt“, erläutert Ümit Şentürk vom gemeinsamen Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit Hamburg. Als zweite Gruppe profitieren ihm zufolge Menschen ohne Berufsabschluss, „die sonst im ersten Arbeitsmarkt eher geringe Aufstiegschancen haben“.
Das Qualifizierungschancengesetz nutzt etwa der 1879 in Hamburg gegründete Familienbetrieb Gebr. Heinemann. Das globale „Travel Retail“-Unternehmen betreibt zwei Logistikzentren – eins davon mit über 400 Beschäftigten in Hamburg –, in denen täglich bis zu 500 000 Verkaufseinheiten kommissioniert werden können.
Um das personell zu bewältigen, bildet die Gruppe berufserfahrene Helfer zu Logistikfachkräften mit Handelskammer-Prüfung weiter. Im Vergleich zur Regelausbildung geht das um ein Drittel schneller. Die Agentur für Arbeit übernimmt dafür die Lehrgangskosten und bis zu 100 Prozent des Arbeitsentgelts.
Gebr. Heinemann baut zudem ausgebildete Logistikfachkräfte zu „Führungskräften von Morgen“ auf, um sie im Unternehmen zu halten. „Durch die optimale Förderung können wir vermehrt Weiterbildung anbieten“, sagt Personalentwicklerin Petra Reinhold. Das Unternehmen nutze die Möglichkeit, sodass „Mitarbeitende eine Chance erhalten, damit sie einen qualifizierten Einstieg in die Logistikbranche bekommen“. Das Antragsverfahren mit fünfseitigem Fragebogen finde sie zwar „kompliziert“, doch die Unterstützung der Agentur für Arbeit Hamburg sei „zielführend“ gewesen.
Egal ob Handel, Finanz- oder Gesundheitswirtschaft – in vielen Branchen verändern sich die Arbeitsprozesse. Auch Sascha Ehrich von der HHLA lernt derzeit eine neue Programmiersprache, denn ab Oktober führt das CTA sukzessive ferngesteuerte Containerbrücken ein.
Bildungsplattform Unter www.hk24.de/LLL hat die Handelskammer vor drei Jahren die „Bildungsplattform für Lebenslanges Lernen“ etabliert. Sie bündelt Informationen zur Qualifizierung von Fachkräften, unter anderem zur beruflichen Weiterbildung, und gibt einen Überblick über das HKBiS-Programm, etwa den kostenfreien Online-Kurs „The Elements of AI“. Als Leiter der Bildungsplattform und HKBiS-Geschäftsführer weist Armin Grams auf Qualifizierungsmöglichkeiten für Menschen ohne Berufsabschluss hin: „2025 wird es ein neues gesetzliches Verfahren zur Zertifizierung von non-formal erworbenen Kompetenzen mit IHK-Gleichwertigkeitsbescheinigung geben.“