Wie kann Hamburg weiter wachsen?

Mit dem „Hamburg-Standard“ will die Hansestadt den Wohnungsbau ankurbeln und setzt bundesweit Maßstäbe. Doch viele aktuelle Projekte werden erst in den 2030ern wirksam.
Auf dem Kleinen Grasbrook entsteht auf 46 Hektar ein 6000-Einwohner-Quartier samt 16 000 Arbeitsplätzen.
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Auf dem Kleinen Grasbrook entsteht auf 46 Hektar ein 6000-Einwohner-Quartier samt 16 000 Arbeitsplätzen.
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Von Torsten Meise, 29. Juli 2025

Die Nachricht, die das Statistikamt Nord Mitte Juni verbreitete, könnte Balsam auf die gestresste Seele der Wohnungssuchenden in Hamburg sein: Die Baubranche zieht an! Insbesondere die Betriebe des Wohnungsbaus konnten ihre Lage im ersten Quartal 2025 deutlich verbessern, ihr Auftragswert stieg um knapp 35 Prozent.

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Die Science City Bahrenfeld soll Wissenschaft und Wohnen miteinander verbinden.

Das weckt Hoffnung auf eine Entspannung am Wohnungsmarkt und damit auf eine steigende Attraktivität Hamburgs bei Fachkräften. Denn was hilft die schönste Stadt, wenn Wohnungen nicht zu finden und Mieten kaum noch zu bezahlen sind?

Wohnkosten explodieren

Viel zu wenig und viel zu teuer – so lautete die Klage beim Wohnungsbau in den letzten Jahren. Bis hinein in die Baugenossenschaften, bislang immer Garant für bezahlbaren Wohnraum und ein wichtiges Rückgrat in der Hamburger Immobilienbranche, häuften sich die Irritationen.

Ein spektakuläres Beispiel: das Projekt Lok67 der KAIFU-NORDLAND. Für die frei finanzierten Wohnungen dieses neuen Komplexes in Lokstedt errechnete die Genossenschaft abschließend einen – auch für sie selbst schockierenden – wirtschaftlich erforderlichen Mietpreis von 20 Euro pro Quadratmeter. Ein Grund für die Mietenexplosion war, neben hohen Baustandards, die Hamburger Verwaltung: In den 18 Monaten, die die KAIFU auf die Baugenehmigung warten musste, galoppierten die Baukosten davon.

Baukosten reduzieren

Damit solche Beispiele – und solche Preise – nicht zum Regelfall werden, wurde im Rahmen der „Initiative kostenreduziertes Bauen“ der „Hamburg-Standard“ entwickelt und Anfang des Jahres veröffentlicht. Die Initiative der Stadt Hamburg zielt darauf ab, durch bedarfsgerechte Standards, effizientere Planungs- und Managementprozesse sowie schnellere Genehmigungen die Baukosten im Wohnungsbau um etwa ein Drittel zu senken.

Hamburg-Standard Der Hamburg-Standard sieht eine Fülle von Maßnahmen und Vorschlägen zur Kostenreduktion im Bauwesen vor – von der Verringerung der Brand- und Schallschutzanforderungen, der Optimierung von Bauform und Statik bis hin zur Verbesserung der Behördenkommunikation und der Koordination von Abläufen. Mehr als 200 Fachleute, Vertreterinnen und Vertreter der Praxis sowie Entscheidungsverantwortliche von rund 100 Institutionen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Hand haben ein Jahr lang gemeinsam daran gearbeitet. Hier erhalten Sie mehr Informationen.

Konkret sollen Einsparungen von bis zu 2000 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche möglich sein, ohne die Qualität oder Sicherheit zu gefährden. Der Hamburg-Standard soll nicht nur den Neubau fördern, sondern auch die Sanierung von Altbauten wirtschaftlicher machen.

„Beliebt wie Fußpilz“

Die Wohnungswirtschaft begrüßt den neuen Standard – wenngleich man sich dort mehr erhofft hat, etwa bei städtischen Grundstücken, die in Hamburg nur noch im Erbbaurecht vergeben werden. „Bei unseren Mitgliedsunternehmen ist das so beliebt wie Fußpilz“, sagt Andreas Breitner vom Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen. Ihm zufolge verweigern einige Genossenschaften dieses Modell, weil es bereits bei der Projektfinanzierung zu Nachteilen führt.

Das könnte dort problematisch werden, wo der Hamburg-Standard zum ersten Mal beispielhaft implementiert werden soll: im Wilhelmsburger Rathausviertel. Das urbane Entwicklungsprojekt erstreckt sich über etwa 29 Hektar und sieht die Schaffung von rund 1900 Wohnungen sowie 85 000 Quadratmetern Gewerbefläche vor. Ein zentraler Bestandteil des Projektes ist der Neubau eines Rathauses; für Radfahrer, Spaziergehende und die Naherholung sind neun Hektar Freiflächen vorgesehen.

Die Erschließungsarbeiten begannen im Februar, viele Bauplätze sind bereits vergeben. Für die letzten freien Flächen bereitet Projektträger IBA Hamburg derzeit eine Konzeptausschreibung vor, die erstmals die Umsetzung des Hamburg-Standards beinhaltet. Die Hoffnung ist groß, hier gemeinsam mit großen Bauträgern bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen und dabei voranzugehen, den Wohnungsbau in Hamburg wieder anzukurbeln.

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IBA Hamburg/ADEPT mit Karres+Brands
Der geplante neue Stadtteil Oberbillwerder setzt auf Sport und Natur – wie hier im „Grünen Loop“.

Warten auf Großprojekte

„Das Ziel, nämlich wieder 10 000 Wohnungen pro Jahr zu errichten, ist definiert und muss nun im Praxischeck bestehen“, erinnert Gesa Hastedt, Handelskammer-Abteilungsleiterin „Stadtentwicklung Metropolregion“, an die wohnungsbaupolitischen Ziele der Hansestadt. Die Hoffnung liegt auf der Verbilligung der Baukosten und auf den Großbaustellen, die in der Stadt geplant oder aktiv sind. Die Dimensionen sind beeindruckend, kurzfristig werden sie jedoch keine Linderung der Wohnungsnot bringen.

Das gilt etwa für den Kleinen Grasbrook, wo auf 46 Hektar ein neues Stadtquartier für 6000 dort Lebende mit bis zu 16 000 Arbeitsplätzen vorgesehen ist, samt Einrichtungen für Nahversorgung, Bildung und Kinderbetreuung sowie Freizeit‑ und Parkanlagen. Nach dem Abriss des alten Überseezentrums im Jahr 2021 wird das Gelände derzeit für den Bau vorbereitet. Der Baubeginn für erste Wohn‑ und Arbeitsgebäude ist schon für dieses Jahr geplant, die Fertigstellung erfolgt aber wohl erst in den 2030er-Jahren.

In Oberbillwerder soll gleich ein ganz neuer Stadtteil entstehen. Der städtebauliche Fokus liegt hier auf einer guten sozialen Mischung, der Integration des „Active City“-Konzepts, umfassenden Grünflächen („Grünes Loop“) und klimaeffizienter Mobilität. Auf 118 Hektar geplant sind bis zu 7000 Wohnungen für rund 15 000 Menschen, außerdem 5000 Arbeitsplätze.

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Im Wilhelmsburger Rathausviertel entstehen rund 1900 Wohnungen, Gewerbeflächen und ein neues Rathaus.

Beabsichtigt ist eine Mischung aus teilweise gefördertem Miet‑ und Eigentumswohnraum („Hamburger Drittelmix“). Bis die ersten Häuser in Hamburgs geplantem 105. Stadtteil stehen, wird allerdings noch einige Zeit in Land gehen.

So müssen Teile des Bebauungsplans neu ausgelegt werden, die ersten Erschließungsarbeiten sind frühestens Anfang 2026 möglich. Anfang der 2030er-Jahre sollen die ersten Bewohner einziehen können.

Fehlendes Gesamtkonzept

Noch weiter in der Zukunft liegt die Fertigstellung der Science City Bahrenfeld, die erst in den 2040er-Jahren relevant wird. In der Zwischenzeit helfen wohl nur Nachverdichtungen in den Stadtteilen und Projekte wie der Hafenbahnpark auf der Veddel, wo 385 neue Wohnungen bis Ende 2028 entstehen sollen.

Aus Sicht der Handelskammer täuschen die spektakulären Großprojekte ein wenig darüber hinweg, dass die Hamburger Politik bislang nicht klar kommuniziert, welche Stadt sie sich zukünftig für die Bürgerinnen und Bürger vorstellt. „So sehr die fachliche und politische Leistung der Stadtentwicklungssenatorin beeindruckt, so sehr müssen wir doch konstatieren, dass es oft an übergeordneten Konzepten und Ideen fehlt“, kritisiert Gesa Hastedt. Nach dem 2002 proklamierten Modell der „wachsenden Stadt“ mangle es an einem übergeordneten Leitbild oder verbindendem Ziel, wie und wohin sich Hamburg entwickeln soll.

Dabei habe die Handelskammer zahlreiche Ideen im Rahmen ihrer „Hamburg 2040“-Strategie veröffentlicht. Dazu gehöre insbesondere die Weiterverfolgung des Modells der „15-Minuten-Stadt“, also auch eine „kleinteilige Nutzungsmischung, um Wege und Zeit zu sparen“. Dies bedeute auch, in einer zentralen Lage wie der Innenstadt viel mehr Wohnraum zu schaffen, so Hastedt.

Stadtkonzepte Oberbillwerder ist als Modellstadtteil für das „Active City“-Konzept geplant, das der Senat im Juni 2022 als Leitbild für die Sportentwicklung in Hamburg vorgelegt hat. Durch Sportplätze, einen Aktivitätspark, Sportangebote und auf Fußgänger und Radfahrende ausgerichtete Alltagswege soll ein aktiver, gesunder Lebensstil gefördert werden. Das geplante Quartier auf dem Grasbrook, die HafenCity oder das neue Beiersdorf-Quartier in Eimsbüttel orientieren sich an der Idee der „15-Minuten-Stadt“. Dieses sieht vor, dass sich alle wichtigen Anlaufstellen – vom Supermarkt bis zur Zahnarztpraxis – innerhalb von 15 Minuten erreichen lassen. Das soll zum Klimaschutz beitragen und die Attraktivität des Wohnens steigern – und beinhaltet eine Durchmischung von Wohnen und Gewerbe. Dazu zwei HW-Artikel: „Ein geeignetes Leitbild für die Stadt der Zukunft“ und „Große Projekte: Neue Quartiere an Elbe und Bille


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