„Kann eine resiliente Beziehung gelingen?“

Hamburger Unternehmen blicken in diesem Jahr gespannt nach China. Die HW sprach mit Pan Hua, Leiterin des Hamburg Liaison Office in Shanghai, über Risiken, neue Kooperationen und hilfreiche Angebote.
Pan Hua vor dem Hamburg Liaison Office (HLO) in Shanghai.

Interview: Kerstin Kloss, 4. Februar 2022 (HW 1/2022)

Das Hamburg Liaison Office (HLO) hat den Hamburg Summit 2021 per Public Viewing in Shanghai übertragen. Wie kam das vor Ort an?

Pan Hua: Deutsche Unternehmen, die in China ansässig sind, oder chinesische Firmen mit Deutschland-/Europa-Bezug konnten in der Außenhandelskammer Shanghai teilnehmen. Wegen Covid haben wir das auf 40 Teilnehmer begrenzt. Alle fanden es super, die Technik lief reibungslos.

Was waren wichtige Themen, die auch 2022 den Handel bestimmen werden?

Beide Seiten, Deutschland und China, haben Sorge, ob eine resiliente Beziehung gelingen kann. Für viele Unternehmen ist die Supply-Chain-Resilienz sehr wichtig für die künftige Handelsentwicklung zwischen Europa und China.

Wie groß ist in China das Shutdown-Risiko an chinesischen Transport-Hubs?

Wir haben bei den Betreibern des Bahnterminals in Xi’an und den Hafenterminals zum Beispiel in Ningbo und Tianjin nachgefragt. Weil Transport ein sehr wichtiger Treiber des Welthandels ist, garantieren die Terminalunternehmen zu einem hohen Prozentsatz den Betrieb. Jedoch können Corona-Ausbrüche in oder an den Terminals kurzfristige Schließungen notwendig machen.

Deutsche und europäische Unternehmen, die in China ansässig sind, sollten sich aktiv am Aufbau des China-Standard-Systems beteiligen.

Pan Hua

Welche Auswirkungen hat Chinas Null-Covid-Strategie auf Hamburger Unternehmen?

Unsere Umfrage bei Hamburger Unternehmen in China ergab, dass einige von ihnen gute Zuwachsraten erzielt haben, aber die Reiseeinschränkungen wirken sich negativ aus. Beiersdorf hat zum Beispiel 2021 sein zweitgrößtes Innovationszentrum weltweit in Shanghai eröffnet. Der Leiter hatte am Anfang das Problem, mit seiner Familie nicht nach China kommen zu können. Wir haben die Firma bei der Beantragung von behördlichen „PU-Einladungen“ unterstützt, alle konnten rechtzeitig einreisen. Auf der China International Import Expo (CIIE) haben wir mit Beiersdorf per Livestream über den Standort Hamburg informiert.

In der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit China erhöht sich die Sensibilität für geistiges Eigentum (Intellectual Property, IP). Welche Erklärung haben Sie dafür?

IP-Schutz ist seit Jahren ein Thema in China. Es geht nicht nur darum, das geistige Eigentum ausländischer Unternehmen zu schützen, auch die Registrierung von chinesischer IP wächst. Dazu wurden unter anderem in Shanghai Anlaufstellen ins Leben gerufen, um internationale IP-Streitigkeiten zu regeln. IP-Konflikte sind auch unter chinesischen Firmen verbreitet, was wiederrum die generelle Sensibilität für diesen Aspekt des Rechts erhöht.

Was empfehlen Sie Hamburger Unternehmen mit Blick auf die China-Standards 2035?

Deutsche und europäische Unternehmen, die in China ansässig sind, sollten sich aktiv am Aufbau des China-Standard-Systems beteiligen. Das ist noch ein langer Weg, und die Chinesen können von ihren Kollegen aus Europa sehr viel lernen.

Interessenvertretung seit 1986

Als offizielle Repräsentanz Hamburgs in China vertritt das Hamburg Liaison Office (HLO) in Shanghai seit 1986 auch die Interessen der Handelskammer. Für Hamburger Unternehmen organisiert das HLO Messestände, etwa bei der China International Import Expo (CIIE) oder bei der Food und Hospitality (FHC), und übernimmt vor Ort Kontaktpflege und Betreuung. Zu den Dienstleistungen zählen unter anderem Digitalmarketing, Marktrecherche und Unterstützung bei Regierungsbeziehungen. Pan Hua leitet das HLO seit April 2019, war 16 Jahre stellvertretende HLO-Leiterin und arbeitete zuvor beim Delegiertenbüro der Deutschen Wirtschaft Shanghai.

Welche Kooperationen bestehen bereits zwischen chinesischen und Hamburger Unternehmen?

Wir unterstützen momentan einen chinesischen Hersteller von autonom fahrenden Lkw, sich in Hamburg anzusiedeln und dort Projektpartner zu finden. Das Unternehmen hat kommerzielle Projekte in chinesischen Häfen und will jetzt auf den europäischen Markt. Ein anderes chinesisches Unternehmen aus dem Bereich Batterie-Recycling Consulting hat bereits eine Firma in Hamburg gegründet. Jetzt soll dort auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum entstehen für Kooperationen im Bereich Elektroautos.

Was ist umgekehrt in Shanghai möglich?

Hamburger Start-ups können in China neue Technik testen und Kapital finden. Dabei können wir als HLO den Unternehmen als Inkubator dienen. Wir haben schon Anfragen bekommen. In unserem Büro im Hamburg-Haus in der Innenstadt bieten wir Arbeitsplätze.

Für welche Unternehmen ist dieses Office-in-Office-Konzept interessant?

Besonders für Unternehmen, die nicht vorhaben, eine eigene Niederlassung zu gründen, ist das eine Option. Das nutzen unter anderem Konsumgüter-Exporteure, Container-Handling-Unternehmen, Terminalbetreiber und Versicherungsbroker. Wir haben noch drei Arbeitsplätze für Unternehmen aus der Metropolregion Hamburg.

Welche Branchen aus Deutschland erobern gerade den chinesischen Markt?

Life Sciences, Pharma, Medizintechnik, Wasserstoff- und Windenergie, 3-D, Materialforschung, Umwelttechnik, Digitalisierung – solche Branchen haben gute Chancen in China. Hier gibt es inzwischen auch viele eigene Elektroautomarken, mit denen deutsche Hersteller zusammenarbeiten sollten, um den Markt nicht zu verlieren.

Deutsche Unternehmen, die in China produzieren wollen, beklagen Marktbarrieren. Welche Erfahrungen machen Hamburger Firmen?

Von Hamburger Unternehmen haben wir persönlich noch keine Beschwerden erhalten. Jedoch hören wir von der generellen Problematik, auch bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen an deutsche Firmen. Das betrifft oft Unternehmen, die eine unzureichende Kenntnis über die lokalen Bedingungen haben. Wir sind gut vernetzt und können Hamburger Betriebe unterstützen.

Blicken wir ins Jahr 2023: Wie wird der nächste Hamburg Summit stattfinden?

Wahrscheinlich gibt es eine sehr gute Kombination aus Präsenz- und Digitalveranstaltung.

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