Klimawandel, Energie, Sicherheit und Inflation – der Blick nach vorn offenbart aktuell gleich mehrere Krisen. Nicht nur Heizungen werden heruntergedreht, sondern die Gesellschaft schaut zögerlich auch auf drohende Veränderungen. Das umfasst sowohl politische Entscheidungen wie auch Entwicklungen in Wissenschaft und Wirtschaft. Die „German Angst“ geht um. Dabei forschen an den Hochschulen und Unternehmen hierzulande viele kluge Köpfe, mit deren Innovationen den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnet werden kann. Aus ersten Ideen entwickeln sie Technologien, die daraufhin erprobt und verbessert werden. Und dann?
Wissenschaft wirkt in alle Lebensbereiche der Menschen in der Metropolregion hinein.
Prof. Hauke Heekeren
„Dann müssen wir die Menschen mitnehmen“, sagt Prof. Heinrich Graener, Mitglied im Vorstand der Universitäts-Gesellschaft Hamburg und emeritierter Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hamburg. Was so schlicht und simpel klingt, ist tatsächlich der entscheidende Knackpunkt, damit Innovationen aus Wissenschaft und Wirtschaft nutzbringend in die Gesellschaft eingeführt und etabliert werden. Es ist gut, dass Forscher von ihren Erfindungen überzeugt sind – aber nur, wenn die Bevölkerung neue Technologien akzeptiert, kann ein Wandel vollzogen werden.
Ein Beispiel aus dem Alltag: Wer vom Verbrenner auf Elektroauto umstellt, muss seine Fahrgewohnheiten ändern. Die Kilometerleistung ist geringer, Batterieladestationen gibt es noch nicht flächendeckend, und Ladezeiten verlangsamen die Reise. Doch nicht jeder will sich einschränken, gerade wenn es um die liebgewonnenen Gewohnheiten beim Autofahren geht.
Fundierte Diskussionen erwarteten die Gäste der Zukunfts-Konferenz der Universitäts-Gesellschaft Hamburg am 22. November in der Handelskammer. Hochkarätige Rednerinnen und Redner aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft befanden sich in einem intensiven Fachaustausch. Die ersten Panels thematisierten Klima, Medizin und Energie. In einer übergeordneten Diskussionsrunde standen die Akzeptanz von Innovationen und die politische Verantwortung im Fokus.
„Wissenschaft wirkt in alle Lebensbereiche der Menschen in der Metropolregion hinein“, sagt Prof. Hauke Heekeren, Präsident der Universität Hamburg. „Zu unseren zentralen Anliegen als Exzellenzuniversität gehört, die Stadtgesellschaft bei wissenschaftlichen Erkenntnissen noch stärker mitzunehmen und diese für Forschung sowie neue Entwicklungen zu sensibilisieren. Die Sichtbarkeit als Flagship University und die stärkere Öffnung zur Gesellschaft trägt entscheidend zur Positionierung Hamburgs als führenden Wissenschaftsstandort bei.“ So ist es Heekeren ein zentrales Anliegen, insbesondere die Stadtgesellschaft bei wissenschaftlichen Erkenntnissen mitzunehmen und diese für Forschung und neue Entwicklungen zu sensibilisieren.
Für eben diesen Dialog und den Transfer von Lösungen aus der Wissenschaft steht die Universitäts-Gesellschaft Hamburg seit inzwischen 100 Jahren. Anlässlich des Jubiläums brachte sie auf der Zukunfts-Konferenz Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft in der Handelskammer zusammen und widmete sich neben anwendungsorientierten Forschungsgebieten auch dem Querschnittsthema Akzeptanz und politische Verantwortung.
„In Deutschland sind wir noch zu zögerlich, was den Einsatz moderner Technologien angeht“, sagt Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne. „Dadurch werden Innovationen oftmals ausgebremst. Wenn wir den technologischen Anschluss und unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren wollen, brauchen wir dringend eine höhere Technologie-Akzeptanz und eine schnellere Anwendung von Zukunftstechnologien.“ Hier ist vor allem die Politik gefragt, denn ihre Aufgabe sei es, diesen Dialog zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zu organisieren und zu führen.
In Deutschland sind wir noch zu zögerlich, was den Einsatz moderner Technologien angeht.
Dr. Malte Heyne
Beteiligung ist der Schlüssel, um neue Technologien anzunehmen, davon ist auch Heinrich Graener überzeugt: „Die Menschen wollen und sollen mitreden. Es ist wichtig, dass sie ihre Ängste artikulieren, auch wenn diese wissenschaftlich zum Teil unbegründet sind. Wir müssen die Bedenken ernstnehmen.“
Klar ist, dass die Politik den Rahmen setzen muss für eine starke Innovationsbereitschaft in Deutschland. Eine, die nicht nur Wirtschaft und Wissenschaft verbindet, sondern auch in die Gesellschaft hineinwirkt und auf Augenhöhe stattfindet. Dann lassen sich mit den richtig guten Ideen auch die großen Aufgaben dieser Zeit meistern. Und das betrifft nicht nur uns selbst mit unserem eigenen Lebensentwurf, sondern auch unserer Kinder und Enkel und nicht zuletzt die Zukunft auf diesem Planeten.