Leuchtturm mit Strahlkraft

Innovationen sichern die Zukunft – aber welche Bereiche haben in Hamburg das größte Potenzial? Und was ist von der Stadt gefordert? Die Handelskammer hat eine Reihe besonderer Chancenfelder ermittelt.
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Mit dem Klimawandel werden Sturmfluten immer häufiger. Dank Künstlicher Intelligenz lassen sich die Folgen besser simulieren.

Von Felix Schoen, 9. Dezember 2022 (HW 6/2022)

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Marco Rothenburger
Großes Innovationspotenzial bietet unter anderem die Erkundung neuer Baumaterialien, denn rund 28 Prozent der Emissionen sind dem Gebäudesektor zuzuschreiben.

Wie können wir in Zukunft schnell und effizient auf Krisen und Katastrophen, Pandemien, Extrem-Hochwasser oder Hitzesommer reagieren? Wie lässt sich Mobilität organisieren? Wie kann man die Energieversorgung klimaneutral gestalten? Die großen Probleme unserer Zeit lassen sich zweifellos nur mit Innovationen lösen. Doch um diese voranzutreiben, müssen die Rahmenbedingungen stimmen und besonders zukunftsweisende Bereiche erkannt werden – nicht zuletzt, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.

Welche dieser „Chancenfelder“ gibt es in der Hansestadt? Wie kann sich diese zu einem wirtschaftlich erfolgreichen Vorreiter für Innovationen entwickeln? Diesen Fragen geht das neue Standpunktepapier der Handelskammer „Hamburg 2040 – Standpunkt Zukunftstechnologien für Hamburg“ nach. Denn, so heißt es dort ganz nüchtern: „Hamburg macht zu wenig aus seinem Potenzial.“ Um dieses zu entwickeln, sind also intensive gemeinsame Anstrengungen notwendig. Als zentrale Handlungsbereiche identifiziert das Papier vier Bereiche, in denen „besonders großer Transformationsdruck“ herrscht: Mobilität, Nachhaltigkeit, Gesundheit und Urbanisierung.

Eine mobile Stadt

„Nachhaltig, klimafreundlich und ressourcenschonend“: So sollte die Mobilität der Zukunft aussehen. Zwei Felder sind besonders zukunftsträchtig: „Autonome Transportsysteme und Logistik“ sowie „Klimaneutrale Schifffahrt und Luftfahrt“. Die Entwicklung autonom fahrender, vernetzter Fahrzeuge bietet dabei nicht nur Chancen für effizienteren Individualverkehr, sondern sehr groß ist ihr Potenzial  auch für öffentlichen Nahverkehr, Gütertransport und Logistik – also für fahrerlose Züge, Lkw und zentral gesteuerte Drohnen, die Medikamente und andere Güter befördern.

Insbesondere das Potenzial der Künstlichen Intelligenz (KI), vor allem des maschinellen Lernens, gilt es weiter auszuschöpfen. Hamburg hätte beste Chancen, in diesem Bereich „ein internationaler Leuchtturm“ für KI-Anwendungen zu werden. In der Schiff- und Luftfahrt könnten vor allem die weitere Erforschung und Nutzung von Wasserstoff als Antriebsform, die konsequente Verwendung von Landstrom für anliegende Schiffe und die Einrichtung eines „Green Maritime Hub“ den emissionsarmen Fortschritt beschleunigen.

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Um den Food-Bereich emissionsärmer und nachhaltiger zu gestalten, sind beispielsweise Investitionen in innovative Ansätze wie Indoor- oder Vertical-Farming sinnvoll.

Eine lebenswerte Stadt

Die zunehmende Verstädterung ist auch für Hamburg eine Herausforderung. Wie lässt sich die wachsende Stadt gegen Naturkatastrophen oder Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur wappnen? Wie kann man die Verwaltung bedürfnisgerecht gestalten? Wie kann Stadtentwicklung den Klimaschutz berücksichtigen? Zentral ist dafür die Digitalisierung, zunächst in der Verwaltung: Lange bürokratische Wege sind innovationsfeindlich und machen die Stadt auch für Unternehmen unattraktiv.

Das neue Standpunktepapier zur Innovation ist im Rahmen des Zukunftsprojektes „Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?“ entstanden. Der Handelskammer-Ausschuss für Innovation und Forschung sichtete dafür zahlreiche Studien und führte eine Reihe von Gesprächen mit Fachleuten aus Wirtschaft und Wissenschaft. Dabei war das Vorgehen bewusst ergebnisoffen und setzte nicht auf bestehende Cluster und Schwerpunkte auf. Es ging darum, auch bislang weniger bekannte Felder mit Zukunftspotenzial zu entdecken. Das Papier wird im Januar 2023 vorgestellt.

Für weitere Schritte könnte sich Hamburg etwa an Estland orientieren, das Behördenkontakte per digitaler ID ermöglicht. Öffentliche Daten müssen noch leichter zugänglich werden; es gilt, eine umfassende, modular aufgebaute und sichere digitale Infrastruktur zu schaffen – und Unternehmen und Bevölkerung stärker mit einzubeziehen.

Auch für eine krisensichere, „resiliente“ Stadt ist Digitalisierung zentral. Mit digitalen Simulationen ließen sich etwa Gebäude und Infrastrukturen planen und in Szenarien erproben. Dank KI könnte man so auch die Auswirkungen von Naturkatastrophen oder Nachverdichtungen modellhaft untersuchen, um entsprechend zu planen. Hamburg hat hier auch aufgrund seiner Erfahrungen mit dem Hochwassermanagement beste Chancen, eine internationale Vorreiterrolle einzunehmen.

Großes Innovationspotenzial bietet zudem die Erkundung neuer Baumaterialien. Rund 28 Prozent der Emissionen sind dem Gebäudesektor zuzuschreiben. Durch konsequentes Recycling des Baumaterials abgerissener Häuser sowie durch den Einsatz etwa von Holz und digitalen Haussteuerungen („Smart Home“), die den Energieverbrauch mindern, ließe sich das CO2-Aufkommen deutlich mindern.

Eine nachhaltige, gesunde Stadt

Nachhaltiger wirtschaften: Beim Erreichen dieses Zieles könnte Hamburg vor allem in den Bereichen Klimaneutralität, Logistik und Ernährung punkten. Zentral ist dabei die Frage der Energie. Als Windkraftmetropole, die zudem intensiv das Potenzial von Wasserstoff erforscht, ist die Stadt bereits in einer guten Position. Doch um an der Spitze zu bleiben, gilt es, Ergebnisse schneller umzusetzen sowie weitere Mittel bereitzustellen. Hamburg sollte sich „als Wasserstoff-Modellregion Norddeutschland aufstellen“, so das Papier.

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Die Entwicklung autonom fahrender, vernetzter Fahrzeuge dürfte unter anderem einen effizienteren Individualverkehr bewirken.

Um den Food-Bereich emissionsärmer und nachhaltiger zu gestalten, bieten sich Investitionen in innovative Ansätze wie „Indoor- oder Vertical-Farming, kultiviertes Fleisch oder Produkte auf Algen- oder Pilzbasis“ oder auch in Unterwasserfarmen für Algen an. Und auch die Medizinwirtschaft ist definitiv eine Wachstumsbranche, die noch mehr Innovationen in Hamburg generieren könnte.

Die Stadt bietet bereits hervorragende Forschungsbedingungen. Diese Strukturen gilt es gezielt einzusetzen, etwa für Grundlagen- und speziell auch Infektionsforschung. Wichtige Innovationsquellen wären auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz – und die stärkere Nutzung anonymisierter Patientendaten.

Eine Stadt, die Neues fördert

Hamburg kann Innovation! Und die Hansestadt bietet beste Voraussetzungen dafür – vorausgesetzt, alle Beteiligten fokussieren sich auf die zentralen Chancenfelder und die Politik schafft die nötigen Rahmenbedingungen. Die Stadt, so die Empfehlungen des Standpunktepapiers, sollte Innovationen gezielt fördern, etwa über ein spezielles Innovationsbudget, Genehmigungsverfahren beschleunigen, praxisorientierte Forschung ausbauen und Innovationspartnerschaften schließen. Vor allem aber sollte sie Sonderinnovationszonen ausweisen, „um Start-ups, etablierten Unternehmen und der Wissenschaft eine schnellere Erprobung und Entwicklung von Innovationen zu ermöglichen“. Schließlich sichern Innovationen die Zukunft – für die Wirtschaft, für den Standort und für uns alle.

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