„Wettbewerbsfähigkeit jenseits der regelbasierten Ordnung“: Dieses Thema des Hamburger Außenwirtschaftstags im vergangenen Juli in der Handelskammer fasst eine zentrale Herausforderung des hiesigen Außenhandels im Jahr 2025 kompakt zusammen. In einer bundesweiten Blitzumfrage der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) im August – also kurz nach dem EU-USA-Zollabkommen – benannten gut drei Viertel der befragten 3500 Betriebe die handelspolitische Unsicherheit und die Sorge vor weiteren US-Zöllen als größte Belastung.
Exporte Im ersten Halbjahr 2025 blieb die EU der größte Exportmarkt für Hamburger Produkte (12,9 Milliarden Euro, plus 6,2 Prozent). Wichtigstes Zielland war Frankreich (3,0 Milliarden Euro), gefolgt von China. Die USA lagen auf Platz 7 (2024: Platz 1, minus 59,3 Prozent) – laut Statistik Nord vor allem aufgrund Entwicklungen im Luftfahrzeugbau. Insgesamt ging der Export aus Hamburg um 2,1 Prozent auf 26,2 Milliarden Euro zurück.
„Bis Ende Juli gab es eigentlich nie eine verlässliche Zahl, was langfristige Investitionen und Planung extrem schwierig machte“, erklärt Lilian Krause, Handelskammer-Referentin für Nordamerika und Ozeanien. „Auch nach dem ,Zoll-Deal‘ blieben viele Fragen offen. Durch die große Unklarheit einiger Regelungen wurde die Sicherheit damit zum Teil wieder verwässert.“
„Große Unsicherheit“, speziell im Bereich Investitionsgüter, konstatiert auch Dr. Hans Fabian Kruse. „Überall wurden Projekte zurückgestellt, teils sogar angehalten“, so der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes AGA und Geschäftsführer der Wiechers & Helm Gruppe. Hinzu kämen „Unmengen an Folge-, Ausweichs- und Umgehungswirkungen“ der Zölle und Exportbeschränkungen.
Unterschiedliche Folgen
Je nach Unternehmen sind die Folgen allerdings unterschiedlich. „Große Auswirkungen hatten wir nicht“, sagt etwa Stephan Schnabel, Vorstandsvorsitzender der Helm AG und Handelskammer-Vizepräses. Der Grund: Der Großteil der Produktion des Hamburger Chemiekonzerns erfolgt in den USA, und „chemische Produkte werden tagtäglich in großen Mengen gebraucht“. Dennoch „mussten wir sehr länder- und produktspezifisch prüfen, ob und wo wir betroffen sind“, so Schnabel. Eine Folge der Zollpolitik ist höherer Verwaltungsaufwand.
Aufgrund der Analyse legte die Helm AG etwa Logistikrouten um. Andere Betriebe passten ihre Preispolitik, Lieferantenketten oder Absatzmärkte an. Allein von Januar bis September ging der Containerumschlag des Hafens mit den USA um 23,9 Prozent zurück – trotz eines Gesamtplus von 8,4 Prozent.
Sorgen bereitet auch China. Die aktuelle Industriepolitik des Landes zielt, so Kruse, „klar darauf ab, Importe deutscher Industriewaren zu substituieren“ und Deutschland mit eigenen Produkten vom Weltmarkt zu verdrängen. „Die Exportlizenzen und Regularien schneiden Deutschland de facto von den dringend benötigten Rohstoffen ab und sind eine Form von Wirtschaftskrieg und Erpressung“, so die deutlichen Worte des AGA-Präsidenten.
Derzeit wird das Freihandelsprinzip zurückgedreht, resümiert Lilian Krause. „Wirtschaftspolitik ist mittlerweile Sicherheitspolitik, und die geopolitische Situation zwingt Betriebe dazu, sich Märkte zu suchen, die langfristig sicherer sind.“ Auch die US-chinesische Systemkonkurrenz, etwa bei Halbleitern, stelle die Firmen vor erhebliche Herausforderungen.
Bürokratische Lasten
Nicht alle Probleme der Außenwirtschaft sind globalen Ursprungs. „Die Bürokratie ist aktuell weiterhin das größte Hindernis und gewissermaßen ein schleichendes Gift, an das wir uns alle gewöhnt haben“, erklärt Kruse, der auch den Außenwirtschafts-Ausschuss der Kammer leitet. Die einzelnen Regelungen seien zwar gut gemeint, aber schlecht gemacht – und bildeten „in ihrer Summe ein Geflecht, das uns absolut behindert“.
Umfragen Laut einer Blitzumfrage der Handelskammer Anfang April war etwa ein Drittel der Hamburger Firmen von den US-Zöllen mittelmäßig bis stark betroffen; 15 Prozent hatten entsprechende Maßnahmen ergriffen – und 28 Prozent planten sie. In einer bundesweiten DIHK-Umfrage im August erklärten 30 Prozent der Betriebe, der US-Zolldeal bedeute eine deutliche Belastung für ihr Geschäft (44 Prozent: mittlere Belastung). Im aktuellen Handelskammer-Konjunkturbarometer beurteilen Betriebe des Groß- und Außenhandels ihre aktuelle Lage deutlich schlechter als andere Branchen (Saldo gut/schlecht: minus 46,4).
Ende Februar präsentierte die EU-Kommission einen Entwurf zur Vereinfachung bestehender Nachhaltigkeits-Vorschriften und Berichtspflichten („Omnibus-Initiative“) – und im Oktober wurde die „CBAM-Verordnung“ so angepasst, dass die Pflicht, CO2-Zertifikate für Importwaren zu erwerben, für kleinere Firmen entfällt.
Doch während EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra rühmte, die Einigung erfasse 99 Prozent der Emissionen und befreie 90 Prozent der Unternehmen vom CBAM-Mechanismus, sieht Kruse das grundsätzliche Problem weiter bestehen: „Die Gesetzgebung wird scharfgeschaltet, obwohl die Meldesysteme und Ausführungsvorschriften nicht funktionieren oder unklar sind.“
An weiteren Regelungen wie der EU-Entwaldungsverordnung EUDR würde zudem „nur in homöopathischen Dosen gebastelt“. Die versprochene Abschaffung des deutschen Lieferkettengesetzes sei ausgeblieben, die Erleichterung der Berichtspflichten reduziere den Aufwand nur geringfügig. „Als Land brauchen wir gemeinsam eine neue Perspektive“, erklärt Kruse, der sich „Mut zur Veränderung“ wünscht. Wunderbar wäre allerdings auch, möchte man hinzufügen, die baldige Rückkehr zu stabilen, regelbasierten und berechenbaren internationalen Beziehungen. Die Handelskammer wird sich jedenfalls auch 2026 aktiv für Antworten auf globale Herausforderungen einsetzen.

