Smarte Start-up-Metropole

Hamburg gehört bei Firmengründungen im deutschen Städteranking zu den Top drei. Neben vielen Vorteilen in der Hansestadt gibt es aber auch Kritik und Luft nach oben.
Infinite Roots
Hamburg zieht Fachkräfte aus der ganzen Welt an. Allein bei Infinite Roots arbeiten Menschen aus fast 30 Nationen.

Von Lena Johanna Philippi, 27. September 2024 (HW 5/2024)

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Ulrich Perrey
Axel Hoops leitet die Handelskammer-Abteilung „Gründung, Förderung und Finanzmarkt“.

Apps, die Kindern dabei helfen, Lesen zu lernen, umweltfreundliche Tüten-Alternativen aus Pflanzenresten, eine Software, die berechnet, wie Bauteile kostengünstiger denn je hergestellt werden können: Aus den innovativen Ideen enthusiastischer Hamburger Gründer und Gründerinnen entstehen jedes Jahr smarte Unternehmen, die die Welt einfacher, effizienter und lebenswerter machen.

Die zweitgrößte Stadt Deutschlands bietet Start-ups, die mit ihren Innovationen neue oder noch gar nicht existierende Märkte erobern wollen, eine herausragende Infrastruktur. Dazu gehört vor allem ihr dichtes Netz aus Hubs (Gründerplattformen), Innovationsparks, wissenschaftlichen Forschungseinrichtungen und global erfolgreichen Betrieben. Hinzu kommen neun Cluster-Initiativen, die von Luftfahrt über Erneuerbare Energien und Life Science bis hin zu Medien- und Kreativwirtschaft reichen, sowie zahlreiche Unterstützungsangebote rund um die Unternehmensgründung.

Platz drei im Städteranking

Die Handelskammer unterstützt die Gründung neuer Unternehmen. Start-ups benötigen unter anderem günstige Büros, Fachkräfte, schnelles Internet, Zugang zu Forschungseinrichtungen und oft teure Technologien. Zudem sollten sie einfacher an Kapital herankommen und die Möglichkeit zur Kooperation mit bereits bestehenden Unternehmen. Hamburg verfügt über eine heterogene Wirtschaftsstruktur und eine leistungsfähige Finanzbranche – ein Potenzial, das die Stadt künftig noch besser ausschöpfen kann. Einen umfassenden Überblick rund um die Unternehmensgründung stellt die Handelskammer hier bereit.

Wie viele Start-ups es aktuell in der Hansestadt gibt, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Das liegt unter anderem daran, dass es keine durchweg einheitliche Definition des Begriffes „Start-up“ gibt (siehe Kasten). „Die beste Datenquelle für Hamburg hat die ‚Startup City Hamburg‘-Plattform von der HIW Hamburg Invest Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH“, erklärt Axel Hoops, Leiter der Handelskammer-Abteilung „Gründung, Förderung und Finanzmarkt“. „Diese zählt durch eine Schnittstelle mit der Datenplattform ‚Dealroom‘ 1506 Start-ups in der Stadt sowie 48 Inkubatoren, Acceleratoren und Company Builder.“

Gute Vergleichsdaten zwischen den unterschiedlichen Standorten und Bundesländern bietet der „Bundesverband Deutsche Startups e. V.“, der in Kooperation mit PwC Deutschland und netSTART jährlich den „Deutschen Startup-Monitor“ veröffentlicht. Demnach war Berlin 2023 wieder Gründungs-Hotspot der Bundesrepublik.

Dieser Trend wird sich voraussichtlich auch im laufenden Jahr fortsetzen. Mit Platz drei behauptet Hamburg allerdings hinter dem zweitplatzierten München seine Position als einer der wichtigsten und führenden Start-up-Standorte des Landes.

Bei der Aufteilung nach Branchen stünden in der Hansestadt mit fast einem Drittel Start-ups aus dem Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie an der Spitze, weiß Axel Hoops. Aber auch in den Sparten Nahrungsmittel und Konsumgüter, Finanzen und Versicherungen, Tourismus, HR, Bau und Immobilien sowie Chemie und Biologie gibt es viele Neugründungen.

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Brita Sönnichsen
Im SPACE von nextMedia.Hamburg haben Start-ups, die Dienstleistungen für die Medienbranche entwickeln, die Möglichkeit, kostenlos Arbeitsplätze zu nutzen.

Hamburg ist ein mittelständisch geprägter Standort mit einer großen Branchendiversität, so der Handelskammer-Experte. Start-ups finden hier gute Bedingungen für einen Markteintritt vor: „Sie agieren in einem realen Marktumfeld, das vielfältige Kontakte zu potenziellen Kunden bietet. Das ist die Basis, um am Ende auch Geld zu verdienen.“

Eine Idee allein reiche nicht aus, um wirtschaftlich Erfolg zu haben. Es müsse auch die entsprechenden Abnehmer und Kunden oder ein reelles Problem geben, das mit dieser Idee gelöst werden kann. Und noch einen Pluspunkt kann die Hansestadt für sich verbuchen: Neue Unternehmen profitieren hier von kurzen Wegen und guten Anschlussmöglichkeiten in die benachbarten Bundesländer.

Kritik am Standort

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Porsche Consulting/Andreas Laible
Zahlreiche bekannte Start-ups wie traceless materials sind in Hamburgs vielfältiger Forschungslandschaft entstanden.

Neben den vielen positiven Aspekten gibt es aber auch Kritik am Start-up-Standort Hamburg. Im Rahmen des „Deutschen Startup Monitors 2023“ wurden rund 2000 Gründende in Deutschland unter anderem zu ihrer Zufriedenheit befragt, 120 davon in Hamburg. Ergebnis: 43 Prozent der hiesigen Start-ups bewerteten ihr „Ökosystem“ mit „Sehr gut“ oder „Gut“.

Der Bundesdurchschnitt liegt bei 58 Prozent, in München bei 67 Prozent und in Berlin bei 68 Prozent. Und noch eine Zahl regt zum Nachdenken an: 94 Prozent derer, die in der Hansestadt gegründet haben, würden erneut eine Firma aufbauen – allerdings nur 55 Prozent in Hamburg. Als zentrale Herausforderungen nannten die Befragten die Kundengewinnung, gefolgt von der Kapitalbeschaffung und dem Fachkräftemangel.

Mehr wissenschaftlicher Background

Eine positive Entwicklung ist, dass es immer mehr Firmengründungen gibt, deren Wurzeln im Forschungssektor der Hamburger Universitäten und Hochschulen liegen. „Viele populäre Start-ups wie traceless materials oder Infinite Roots sind in Hamburgs Forschungslandschaft entstanden“, betont Axel Hoops. Infinite Roots – ehemals Mushlabs – ist ein innovatives Biotech-Unternehmen, das Fleischersatzprodukte auf der Basis von Pilzmyzel herstellt.

Start-ups sind Unternehmen, die zur Verwirklichung einer innovativen Geschäftsidee gegründet werden. Viele von ihnen verfügen über ein geringes Startkapital, weshalb sie auf eine frühe Ausweitung ihrer Geschäfte, auf Venture Capital oder weitere Finanzierungsquellen wie Privatinvestoren, sogenannte „Business Angels“, Wagniskapitalfinanzierer oder Crowdfunding angewiesen sind. Der „Bundesverband Deutsche Startups e. V.“ legt in seinem elften „Deutschen Startup Monitor“ drei wesentliche Merkmale für die Kennzeichnung von Start-ups fest: Sie sind jünger als zehn Jahre, haben ein geplantes Mitarbeiter- und/oder Umsatzwachstum und sind mit ihren Technologien, Geschäftsmodellen, Produkten oder Dienstleistungen hoch innovativ.

„Wir möchten das Lebensmittelsystem grundlegend verbessern und nicht nur Fleisch ersetzen oder trendige Produkte für Veganer anbieten“, erklärt Philip Tigges, CFO und Managing Director bei Infinite Roots. „Die Lebensmittelproduktion ist für etwa ein Drittel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Durch die Nutzung von Myzelium und unsere innovativen Technologien können wir perspektivisch mehr als 90 Prozent der CO2-Emissionen und immer knapper werdende planetare Ressourcen wie Wasser und Land im Vergleich zur Rindfleischproduktion einsparen, während wir die gleiche Menge an Lebensmitteln herstellen.“ Die Vision sei es, einen wesentlichen Beitrag zur Bewältigung der drängendsten Umweltprobleme der Zeit sowie zur zukünftigen Nahrungsmittelversorgung zu leisten.

Unterstützung durch Investoren

Bislang hat das Start-up, das aktuell 80 Mitarbeitende beschäftigt, insgesamt mehr als 60 Millionen Euro Kapital von Investoren eingesammelt. Zu den Unterstützern zählen renommierte Unternehmen wie die Gesellschafterin des Süßwarenkonzerns HARIBO, die Dr. Hans Riegel Holding, die REWE Group und die Bitburger Brauerei.

Doch auch Start-ups aus anderen wissensbasierten Branchen wie Medizintechnik oder Erneuerbaren Energien profitieren von Hamburgs einzigartiger Infrastruktur, dem dichten Netz aus Hochschulen, Studierenden und ambitionierten Forschenden. Allein an der Universität Hamburg, der größten Forschungs- und Ausbildungseinrichtung Norddeutschlands, studieren mehr als 42 000 Menschen. Ein wichtiger Anlaufpunkt für Gründende ist daher auch das Innovationszentrum „Start-up Labs Bahrenfeld“.

Das Gemeinschaftsprojekt von Deutschem Elektronen-Synchrotron (DESY), Universität Hamburg und der Stadt bietet seit 2021 Büros und Laborräume speziell für Gründerinnen und Gründer, deren Geschäftsmodelle an die Forschungsbereiche auf dem Campus in Bahrenfeld anknüpfen. Auf einer Nutzfläche von insgesamt rund 2700 Quadratmetern stehen flexible Büros, Seminarräume und Labore zur Verfügung. Auch der „Startup Port“ bietet Hilfe. Er bündelt die Aktivitäten zur Gründungsunterstützung von neun Hochschulen und Forschungseinrichtungen in der Region.

Start-up_Labs_Bahrenfeld© DESY-Marta Mayer
DESY/Marta Mayer
Ein zentraler Anlaufpunkt für Gründende ist unter anderem das Innovationszentrum „Start-up Labs Bahrenfeld“.

Axel Hoops sieht in diesem Bereich aber noch Entwicklungspotenzial: „Sicher können wir als Standort noch deutlich mehr Start-up-Aktivitäten schaffen. Auch in Sachen Kooperationen zwischen Start-ups und Forschung sowie Unterstützung von Gründenden durch ihre Hochschulen im Sinne von Wissen oder Laborflächen liegen wir in Hamburg leider etwas hinter dem Bundestrend.“ Der Senat betont in seiner „Regionalen Innovationsstrategie“ (RIS), dass die Stadt die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft und damit die Entwicklung von Innovationen künftig stärker vorantreiben will.

Ein Netz an Unterstützung

Neben Unterstützungsangeboten für forschungsbasierte Betriebe gibt es in Hamburg viele weitere sowohl allgemeine als auch auf bestimmte Branchen zugeschnittene Hilfs- und Förderangebote für Start-ups. Brücken zwischen kapitalsuchenden Start-ups und passenden Investoren baut beispielsweise das „Hamburg Investors Network“ (HIN). Die Mitglieder erhalten Zugang zu einem der größten Netzwerke junger und innovativer Wachstumsunternehmen in Norddeutschland. Technologieorientierte Start-ups, die Dienstleistungen für die Medienbranche entwickeln, können im SPACE von nextMedia.Hamburg der Hamburg Kreativ Gesellschaft kostenlose Arbeitsplätze, sogenannte „Open Desks“, nutzen.

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Claudia Höhne
Eröffnung des „Körber Start-Hubs“ der Körber-Stiftung in der HafenCity im Dezember 2023

Und die IFB Innovationsstarter GmbH fördert mit den beiden Programmen „InnoFounder“ und „InnoRampUp“ sowie dem „Innovationsstarter Fonds“ technologieorientierte Existenzgründungen. Speziell an Menschen unter 30 richtet sich indes der „Körber Start-Hub“ der Körber-Stiftung – und damit an die Unternehmerschaft von morgen. In der HafenCity stehen jungen Visionärinnen und Visionären auf 500 Quadratmetern 35 Arbeitsplätze und drei Meetingräume zur Verfügung, hinzu kommen Workshops und weitere Veranstaltungen.

Philip Tigges schätzt Hamburg als attraktiven Standort für Start-ups, insbesondere wegen seiner hervorragenden Vernetzung und auch, weil es über relativ viele Fachkräfte verfüge. Trotzdem gebe es für die zweitgrößte Stadt Deutschlands in puncto Start-up-Förderung noch Luft nach oben. Die Stadt ziehe Talente aus der ganzen Welt an – ein Umstand, der sich auch im internationalen Infinite-Roots-Team widerspiegele, das fast 30 Nationalitäten umfasst.

„Was so oft über Deutschland zu hören ist, gilt aber auch für Hamburg. Der Standort könnte durch eine stärkere Unterstützung bei der Fachkräftegewinnung im Ausland und eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse noch attraktiver werden.“


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