Neuer Konsens

Die globale Wirtschaft sieht sich tiefgreifenden Veränderungen gegenüber, auf die auch Hamburg als Außenhandelsstandort reagieren muss. Die Handelskammer hat deshalb eine Position zur Zukunft der Hamburger Außenwirtschaft vorgelegt.
Handelskammer Hamburg
Im Rahmen ihrer Standortstrategie „Hamburg 2040“ hat die Handelskammer ein Papier zur Außenwirtschaft vorgelegt.

Von Dr. Doris Hillger, 2. Februar 2024 (HW 1/2024)

Nach Jahren gefühlter ökonomischer Planungssicherheit haben die Krisen der vergangenen drei Jahre Unternehmen vor neue Herausforderungen gestellt. Geopolitische Konflikte und sogenannte „Black Swan Events“ – Ereignisse, die eine sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeit, aber drastische negative Auswirkungen auf die Weltwirtschaft haben – müssen künftig stärker in unternehmerischen Entscheidungen und Strategien berücksichtigt werden.

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K.D. Feddersen Ueberseegesellschaft mbH
Leonard Brand, Vorsitzender des Vereins Hamburger Exporteure

Die globale Wirtschaft erfährt bereits seit Jahren tiefgreifende strukturelle Veränderungen: der Aufstieg Asiens als Zentrum wirtschaftlichen Wachstums, die Regionalisierung von Wertschöpfung, der infolge des Klimawandels und des Fachkräftemangels steigende Dekarbonisierungs-, Digitalisierungs- und Automatisierungsdruck auf Unternehmen sowie die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle mit disruptiven Auswirkungen auf verschiedene Branchen. Hinzu kommt der zunehmende Einsatz wirtschaftlicher (Zwangs-)Maßnahmen zur Durchsetzung politischer Ziele, von denen europäische Unternehmen vermehrt betroffen sind.

Die Grundannahmen Hamburger und bundesdeutscher Außenwirtschaftsförderung – China als „One Size fits all“-Markt für die Internationalisierung von Betrieben und Russland als Lieferant billiger Energie für die Industrie – sind von der Realität überholt. Die Parameter für internationale Wettbewerbsfähigkeit verschieben sich. Hamburg ist von diesen Entwicklungen mit seinem Hafen und traditionell starken internationalen Handelsbeziehungen besonders betroffen. Hier sind Industrie und industrienahe Dienstleistungen wie Logistik, Finanzen und der Groß- und Außenhandel eng miteinander verwoben.

Im Rahmen des Standortstrategieprozesses „Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?“ hat die Handelskammer in einem Strategiepapier Vorschläge zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Außenwirtschaftsstandortes Hamburg vorgelegt. Entlang der Dimensionen Wettbewerbsfähigkeit, Weltoffenheit und Wehrhaftigkeit werden in dem Papier notwendige Maßnahmen in den Bereichen Regulierung, Handelspolitik, Infrastruktur, Stärkung des Außenhandels, Industriestandort, Innovationsförderung sowie Nachhaltigkeit aufgezeigt.

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EKH-Pictures – stock.adobe.com
Hamburg ist von den derzeitigen globalen Entwicklungen mit seinem Hafen und traditionell starken internationalen Handelsbeziehungen besonders betroffen. Hier sind Industrie und industrienahe Dienstleistungen wie Logistik, Finanzen und der Groß- und Außenhandel eng miteinander verwoben.

Ein wesentlicher Faktor für Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit sind die regulativen Rahmenbedingungen. Mit einer Vielzahl komplexer Regulierungsvorhaben auf EU- und auf nationaler Ebene (etwa das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz) wachsen bei zweifelhaftem Steuerungseffekt die Bürokratiekosten für die Breite der Firmen und machen den Standort Deutschland zunehmend unattraktiv. Deutschland und die EU benötigen daher dringend einen neuen Regulierungsansatz, der auf Anreize für Unternehmen setzt und überlappende Compliance-Regime reduziert.

Handelskammer-Präses Prof. Norbert Aust appellierte bei der „Versammlung Eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg“ am 29. Dezember 2023 nicht ohne Grund an die Politik: „Wenn Sie wissen wollen, wie sich ihre Regulierungsinitiativen auf die Wirtschaft auswirken, schauen Sie nach Hamburg.“ Denn die Auswirkungen von Entscheidungen in Berlin und Brüssel ließen sich hier praktisch in Echtzeit beobachten. Der Hamburger Senat solle sich deutlich aktiver in die Gestaltung deutscher und europäischer Außenwirtschaftspolitik einbringen und den engen Dialog mit der Wirtschaft zum Abbau bürokratischer Belastung in der notwendigen Transformation nutzen.

Zum Handelskammer-Positionspapier „Zukunft des Außenwirtschaftsortes Hamburg“ gelangen Sie hier. Mehr über die Standortstrategie „Hamburg 2040: Wie wollen wir künftig leben – und wovon?“ erfahren Sie ebenfalls auf der Internetseite der Handelskammer.

Hamburg muss zudem sein Potenzial nutzen, sich zu einem Kompetenzzentrum für Dekarbonisierung und Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu entwickeln und damit seine Wettbewerbsfähigkeit als Industriestandort auszubauen. Um etwa gegenüber China und den USA wettbewerbsfähig zu bleiben und Zukunftstechnologien in der EU zu halten, ist eine Anpassung der bisherigen Förderpolitik im Rahmen des „Green Deal“ mit einem Fokus auf die Senkung von Betriebskosten für Unternehmen dringend erforderlich. Hamburg ist zudem als Industriestandort international zu wenig bekannt. Eine internationale Konferenz zur Dekarbonisierung der Industrie könnte Sichtbarkeit schaffen und die Industrie stärker zum Gegenstand des Hamburger Standortmarketings machen.

Fragt man Hamburger Außenhändler, so sind die Prioritäten zur Stärkung der Außenwirtschaft klar: „Wir brauchen weniger lähmende Regulatorik, bessere Verkehrsanbindung, einen wettbewerbsfähigen Hafen, bessere Abläufe bei der Ein- und Ausfuhr und die Sicherung von Fachkräften“, sagt Leonard Brand, Geschäftsführer der K.D. Feddersen Ueberseegesellschaft und Vorsitzender des Vereins Hamburger Exporteure. „Es ist gut und wichtig, dass die Handelskammer diese Themen aufgreift und den Senat in die Pflicht nimmt, den Außenwirtschaftsstandort zu stärken.“


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