Können Fachkräfte und KI zusammenarbeiten?

Künstliche Intelligenz revolutioniert bereits zahlreiche Branchen und verändert die Arbeitswelt. Künftig wird der Erfolg in vielen Bereichen davon abhängen, wie gut Mensch und Maschine ihre Stärken kombinieren.
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Schon heute unterstützen KI-Systeme Fachkräfte bei der Analyse und beim Erkennen von Mustern in großen Datenmengen.

Von Katrin Meyer, 25. Oktober 2024

Kann KI denken? Hilft sie den Patienten? Können Fachkräfte und KI zusammenarbeiten? Und was macht eine erfolgreiche Gründungspersönlichkeit aus? Anlässlich der zweiten Hamburger Zukunfts-Konferenz befasst sich HW Online in den kommenden Wochen im Rahmen einer Serie mit diesen und weiteren Fragen.

In einem Jahr kann sich viel verändern: Waren es 2023 noch 13,3 Prozent der Unternehmen in Deutschland, die Künstliche Intelligenz (KI) nutzten, so hat sich die Prozentzahl inzwischen mehr als verdoppelt. 27 Prozent sind es einer Umfrage des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung zufolge heute. Zusätzlich planen 17,5 Prozent der Betriebe, KI bereits in den kommenden Monaten einzusetzen. In vielen Unternehmen bleibt den Menschen also kaum eine Wahl – die KI-Revolution schreitet voran.

Welche Erfahrungen Hamburgs Fach- und Führungskräfte mit KI machen, ist Thema bei der zweiten Hamburger Zukunfts-Konferenz der Universitäts-Gesellschaft Hamburg (UGH), die am 11. November in der Handelskammer stattfindet. In einer der Diskussionsrunden geht es darum, welche Arbeiten künftig von Menschen erledigt werden und welche Qualifikationen dafür notwendig sind. „Wenn wir von Fachkräften sprechen, klingt das oft sehr abstrakt und anonym, dabei geht es immer um die Menschen dahinter – ihre Fähigkeiten, ihre Kreativität, ihre Empathie und Persönlichkeit“, sagt Rena Bargsten, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der UGH. Die Herausforderung bestehe darin, diese menschliche Komponente nicht zu vergessen.

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Dr. Olaf Oesterhelweg von der Hamburger Sparkasse und Vizepräses der Handelskammer ist davon überzeugt, dass KI im Austausch mit Kunden und Mitarbeitenden unterstützen kann.

Unterstützung durch KI

„Bereits heute unterstützen KI-Systeme Fachkräfte bei der Analyse und beim Erkennen von Mustern in großen Datenmengen“, sagt Frank Steinicke, Professor für Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Hamburg. In der Logistik und im Supply-Chain-Management verändert KI durch datengesteuerte Entscheidungen, wie Warenströme verwaltet und optimiert werden, so Dr. Fabian Kruse vom AGA Unternehmensverband. „Vorhersagen zu Nachfrage, Beständen und Lieferzeiten werden durch KI verlässlicher.“

Auch in der Finanzwelt eröffnet KI neue Möglichkeiten. „KI kann uns im Austausch mit Kunden und Mitarbeitenden unterstützen“, berichtet Dr. Olaf Oesterhelweg von der Hamburger Sparkasse. „Kern unserer Arbeit bleibt jedoch ein People Business – menschliche Interaktion ist unersetzbar.“ Die Stadt Hamburg nutzt bereits Künstliche Intelligenz in einigen Abteilungen. Bei der Wasserschutzpolizei hilft KI, undeklarierte Gefahrgüter aufzuspüren.

KI gibt Empfehlungen ab

2023 hatte Hamburg einen Gesamtumschlag von 7,7 Millionen Standardcontainern. Bislang erfolgten stichprobenartige Vorkontrollen manuell, um nicht gekennzeichnete Gefahrgüter aufzudecken. Inzwischen werten Algorithmen die digitalen Informationen aus, und KI gibt Empfehlungen ab, welche Container kontrolliert werden sollen. Hamburgs Chief Digital Officer Christian Pfromm betont: „KI ermöglicht effizientere und präzisere Kontrollen, wodurch unsere Fachkräfte entlastet und gleichzeitig in ihrer Arbeit unterstützt werden.“

Neueste Forschungsergebnisse bewegen die Hamburger Energiewerke. „Damit können wir noch genauere Aussagen über den Zustand unserer Rohrleitungen treffen“, sagt Geschäftsführerin Kirsten Fust. „Dabei füttern wir die KI mit Daten unseres Fernwärmesystems und vergleichen im ersten Schritt die KI-generierten Ergebnisse mit unseren eigenen Erkenntnissen.“

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Hamburger Energiewerke
Als Geschäftsführerin der Hamburger Energiewerke setzt Kirsten Fust auf KI, denn Künstliche Intelligenz unterstützt das Unternehmen dabei, genauere Aussagen über den Zustand der Rohrleitungen zu treffen.

Die Zusammenarbeit von Mensch und KI birgt erhebliche Vorteile. Mit Blick auf das Personal liefert Künstliche Intelligenz Expertenwissen, das sonst für das Unternehmen nicht zugänglich ist, und vermeidet menschliche Fehler. Zudem können sich Fachkräfte auf komplexere Aufgaben konzentrieren, die über die Fähigkeiten heutiger KI-Systeme hinausgehen, so Frank Steinicke.

Und Olaf Oesterhelweg, der auch Vizepräses der Handelskammer ist, ergänzt: „Wenn ungeliebte Aufgaben vom ‚Kollegen KI‘ übernommen werden können, ist das eine Win-win-Situation.“ Der Zeitgewinn durch Künstliche Intelligenz kann erheblich sein. Laut einer Studie der Boston Consulting Group sparen bereits heute 58 Prozent der Arbeitnehmenden bis zu fünf Stunden pro Woche durch KI.

Herausforderungen bei der KI-Integration

Trotz der Chancen gibt es auch Herausforderungen. Die Implementierung von KI-Systemen erfordert oft eine Anpassung bestehender Infrastrukturen und stellt gerade den Mittelstand vor strukturelle Hürden. Zudem gibt es ethische Fragen wie etwa den potenziellen Verlust von Arbeitsplätzen und welche Tätigkeiten menschlich bleiben sollten.

Die Psychologin Prof. Nale Lehmann-Willenbrock vom „Center for Better Work“ an der Universität Hamburg betont: „KI hat zwar viele Jobs nachhaltig verändert, kann und sollte den Menschen aber nicht ersetzen.“ Eine enge Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitenden und KI sei möglich, wenn Mensch und KI sich wechselseitig sinnvoll ergänzen und Schwächen des jeweils anderen ausgleichen. Verschiedene KI-Tools könnten eingesetzt werden, die manchmal wie ein Teammitglied funktionieren, dem Aufgaben übertragen werden, so Lehmann.

Kompetenzen für das Miteinander mit KI

Um das KI-Potenzial voll auszuschöpfen, müssen Menschen technologische Affinität und Datenkompetenz entwickeln. „Es ist unerlässlich, dass Fachkräfte von heute und morgen Kompetenzen haben in den Grundlagen der Technologie sowie der Zusammenarbeit von KI und Mensch und diese weiter aufbauen“, betont Informatiker Frank Steinicke.

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UHH
Die Psychologin Prof. Nale Lehmann-Willenbrock arbeitet am „Center for Better Work“ der Universität Hamburg.

Dies umfasst nicht nur technisches Know-how und die Fähigkeit, KI als Partner in die tägliche Arbeit zu integrieren. Wichtig ist, den einzelnen Menschen mitzunehmen. „Wenn transparent gemacht wird, wie und warum KI eingesetzt wird, wächst das Vertrauen der Mitarbeitenden in KI“, ist Nale Lehmann-Willenbrock überzeugt.

Für die erfolgreiche Zusammenarbeit von Mensch und Maschine sind neue Bildungsformate notwendig, weiß die Professorin. „Die effektive Anwendung neuer Technologien erfordert umfangreiche Informationen, gezieltes Training und ein psychologisch sicheres Umfeld.“ Dabei spiele auch „Upskilling“ eine zentrale Rolle, das auf die Entwicklung digitaler Fertigkeiten und kontinuierliches Lernen abzielt. Auch Olaf Oesterhelweg sieht in der Fortbildung einen wichtigen Hebel: „Es wird eine Basisanforderung an unsere Mitarbeitenden sein, mit KI sicher umgehen zu können.“

Veränderung der Arbeitsorganisation

In den nächsten Jahrzehnten wird der Arbeitsplatz von der Zusammenarbeit zwischen Mensch und KI geprägt sein. Unternehmen müssen ihre Arbeitsprozesse anpassen, um diese Zusammenarbeit zu optimieren. Während Künstliche Intelligenz repetitive Aufgaben automatisiert und datenbasierte Entscheidungen trifft, können sich Menschen auf kreative, strategische und zwischenmenschliche Tätigkeiten konzentrieren. „Berufe, die komplexe handwerkliche Fähigkeiten, emotionale Intelligenz oder Kreativität erfordern, werden in der Gesellschaft zunehmend an Bedeutung und Wertschätzung gewinnen“, prognostiziert Frank Steinicke.

„Maschinen und KI sind leistungsstarke Werkzeuge, aber es ist der Mensch, der durch Empathie, emotionale Intelligenz und flexibles Denken die wertvollen, kreativen und komplexen Lösungen einbringt, die Maschinen nicht leisten können“, erläutert Rena Bargsten. Die Zukunft der Arbeit liege darin, diese Stärken zu kombinieren und eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich Mensch und Maschine sinnvoll ergänzen.

Die zweite Hamburger Zukunfts-Konferenz der Universitäts-Gesellschaft Hamburg (UGH) findet am 11. November von 9 bis 18:30 Uhr in der Handelskammer statt. Das Thema lautet „Twin Transformation“. Die Veranstaltung vernetzt die wichtigsten Stakeholder der Wissens- und Wirtschaftsmetropole, um herausragende Forschungsergebnisse direkt in nachhaltige wirtschaftliche Innovationen umzusetzen. Auf den Panels rund um Nachhaltigkeit, Digitalisierung und KI diskutieren hochkarätige Fachleute. Preis pro Konferenzticket: 100 Euro. Zur Anmeldung geht es hier.


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