Fragen an: About-You-Chef Tarek Müller

Die Handelskammer Hamburg hat Tarek Müller zu der Plenarsitzung im Mai 2022 eingeladen, um von ihm einen Einblick in das Hamburger Start-up-Ökosystem zu erhalten und seine Sichtweise auf die Finanzierung von Start-ups und jungen Unternehmen zu diskutieren.
Handelskammer Hamburg / Stefan Bungert
Tarek Müller im Plenum der Handelskammer

Tarek, du erhältst viel Lob von allen Seiten und wurdest beispielsweise als eine der „prägendsten Persönlichkeiten der digitalen Handelslandschaft“ beschrieben. Was ist dein Erfolgsrezept bzw. was würdest du anderen Start-ups mit auf den Weg geben?

Ich habe mit 13 angefangen, Sachen im Internet zu machen und mit 15 mein Gewerbe angemeldet. Irgendwann hatte ich dann den Dreh raus, wie man Dinge im Internet verkauft, wie man internationalisiert, wie man Technologien aufbaut und Organisationen skaliert. Das konnte ich dann bei About You anwenden. Man kann „Gründen“ nicht erlernen, sondern man muss Unternehmertum „on the job“ trainieren und einfach machen. Das bedeutet auch, viel zu arbeiten und etwas zu finden, mit dem man einen echten Vorteil gegenüber den Mitbewerbern hat.

Was ich anderen Start-ups raten würde: Als Start-up seid ihr deutlich agiler als größere Unternehmen, bringt diesen Vorteil schnell auf die Straße.

Tarek Müller, About You
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Handelskammer Hamburg / Stefan Bungert
Tarek Müller in der Handelskammer

Wenn du noch einmal gründen würdest, würdest du das in Hamburg bzw. Deutschland machen, oder würde es Dich woanders hinziehen?

Ich liebe Hamburg, von daher würde ich immer in Hamburg gründen. Ich glaube außerdem, dass durch die Pandemie der Standort immer egaler geworden ist. Vor fünf bis sieben Jahren hatten wir in Hamburg Probleme mit dem Zugang zu Kapital. Man musste ins Silicon Valley. Das hat sich geändert. Der Standort ist für die meisten Investoren egal, da wir immer mehr in einer Remote-Welt leben. About You ist letztes Jahr an die Börse gegangen und ich habe keinen einzigen meiner Investoren in Person gesehen, das lief alles per Zoom.

Früher war Kapitalzugang demnach einer der wichtigsten Standortfaktoren. Verschiebt sich das jetzt? Was braucht der Standort, um attraktiv für Fachkräfte zu sein?

Das Silicon Valley hat zum Beispiel ein sehr gutes Start-up-Ökosystem geschaffen. Das war eine Kombination aus hoch-attraktivem Umfeld für Talente und exzellenter Universität. Dadurch sind Unternehmen entstanden, die erfolgreich waren und ihr Kapital vervielfacht haben. Das sorgt in der Regel dafür, dass so ein Ökosystem entsteht. Alle diese Aspekte sind aktuell, aber ein bisschen egaler, da wir so stark Remote arbeiten. Es ist also gar nicht mehr wichtig, dass wir physisch vor Ort Fachkräfte finden.

Das ist eine gute Nachricht für Hamburg, weil wir nie in der Champions-League für Talente waren ­ − auch, wenn ich es mir anders wünschen würde. Im Bereich Programmierung, beim Online-Marketing findet man zum Beispiel einfach niemanden mehr in Deutschland. Es gibt keine Chance, den Bedarf zu decken. Da sind wir auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Wir brauchen also die Firmensprache Englisch, wenn wir wirklich digitalisieren wollen.

Wie kann Hamburg denn die „lebenswerteste Stadt“ werden?

Ich finde Standortentwicklung dennoch wichtig, nur für das Einsammeln von Kapital wird es unwichtiger. Das naheliegendste ist exzellente Bildung. Eine starke Universität und eine gute fachliche Bildung sind der Haupthebel. Außerdem sind bezahlbarer, guter Wohnraum und eine hohe Lebensqualität wichtig. Das haben wir alles in Hamburg. Mein Gefühl ist, dass wir in Hamburg auf der Welt etwas untervermarktet sind. Wir bei About You pitchen unsere Stadt täglich. Und wir merken: Viele sind überrascht, wie schön Hamburg ist.

In den letzten Jahren wurde die Anzahl der sogenannten “Unicorns” – also Start-ups mit einer Bewertung über 1 Mrd.€ – sehr häufig als Erfolgsindikator für Länder und Metropolen herangezogen und dienten als Vergleichsmaßstab. Was hältst du davon? Brauchen wir mehr oder vielleicht sogar weniger Unicorns?

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Handelskammer Hamburg / Stefan Bungert
 

Das Streben nach hohen Firmenbewertungen ist irrelevant, denn viele Hamburger Unternehmen sind ohne signifikantes Kapital zu Größe gekommen. Um aber auf die globale Landkarte zu kommen, ist die Anzahl der Unicorns nicht unwichtig. Vergleichbar mit einem Olympia-Medaillenspiegel. Es ist etwas Greifbares. Besonders in der Pre-Covid-Welt war es ein Faktor, denn ein Investor hat keine Lust, der erste zu sein, sobald aber irgendwo stark Erfolg entsteht, zieht es weitere Investoren an. Das ist das Henne-Ei-Problem.

Du hast gesagt, dass du Dir vorstellen könntest, in Zukunft für das Amt des Ersten Bürgermeisters zu kandidieren. Angenommen die Bürgerinnen und Bürger Hamburgs würden Dir Ihr Vertrauen schenken. Was würdest du dann als Erstes ändern/umsetzen wollen?  

About You ist mein letztes Unternehmen und ich will 2030 raus sein. Dann möchte ich verschiedene gemeinnützige Gesellschaften gründen, das Erste im Bereich Kultur habe ich schon gegründet, die „105 Viertel“, die für die Stadtviertel in Hamburg stehen. Die Nächste soll im Bereich Bildung sein. Es sollen weitere folgen.

Ich habe mir vorgenommen, mein eigenes Vermögen in meiner Lebenszeit zu schmelzen und in gemeinnützige Zwecke zu stecken. Ich könnte mir auch vorstellen, eine Partei auf Hamburg-Ebene zu gründen. Ich habe Lust, das zu probieren!

Tarek Müller, About You

Über Tarek Müller

Tarek Müller, gebürtig aus Hamburg und mit seinem Unternehmen About You weiterhin in Hamburg ansässig, wird als eine der „prägendsten Persönlichkeiten der digitalen Handelslandschaft“ beschrieben und wurde 2018 auf der Forbes-Liste „30 under 30“ geführt.

Über About You

ABOUT YOU digitalisiert den klassischen Einkaufsbummel und schafft ein personalisiertes Einkaufserlebnis auf dem Smartphone. Bei ABOUT YOU steht der Kunde im Fokus und wird unterstützt sich individuell durch Mode auszudrücken. Kunden finden auf aboutyou.com sowie in der mehrfach ausgezeichneten ABOUT YOU App neben vielseitiger Inspiration ein Sortiment mit mehr als 400.000 Artikeln von über 2.000 Marken. ABOUT YOU ist mit mehr als 30 Millionen monatlich aktiven Usern eine der größten Mode- und Lifestyle-Plattformen in Europa. Aktuell ist der Fashion Online Shop in 26 europäischen Märkten vertreten. Mit SCAYLE bietet das Fashion-Tech-Unternehmen darüber hinaus eine eigene E-Commerce-Infrastruktur als Lizenzprodukt an. Die Aktien von ABOUT YOU sind an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet und wurden im September 2021 in den SDAX® Index aufgenommen.

Start-up-Resolution  

Die Hamburger Wirtschaft bekennt sich in ihrer Start-up-Resolution zur gezielten Förderung des Start-up-Standorts Hamburg.

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