Den Inhaltsstoffen auf der Spur

Das „HW-Start-up des Monats“ im Februar ist die 2018 von den beiden Physikern Matthias Budden und Thomas Gebert gegründete WiredSense GmbH. Das Unternehmen, das im Jahr 2022 mit dem Hamburger „GründerGeist“ ausgezeichnet wurde, ermöglicht mit seinem Messgerät „Sweeb“ eine schnelle, einfache und cloudbasierte Analyse von Inhaltsstoffen, was zum Beispiel die Herstellung von Medikamenten und Lebensmitteln erleichtert.
WiredSense
Thomas Gebert (li.) und Matthias Budden, Gründer der WiredSense GmbH, haben mit ihrem Messgerät „Sweeb“ die Materialanalyse revolutioniert. Im Jahr 2022 wurden die beiden Unternehmer mit dem „Hamburger Gründerpreis“ ausgezeichnet.

Von Frank Schlatermund, 7. Februar 2024

WiredSense hat ein Gerät entwickelt, das Materialanalysen durchführt. Wie sind Sie auf diese Idee gekommen – und was ist der Vorteil Ihres Produktes? Gibt es bereits ähnliche Erfindungen?

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Die Analyse der Zusammensetzung und Qualität eines Materials ist wichtig für viele Anwendungen, etwa bei der Herstellung von Medikamenten oder Lebensmitteln, bei industriellen Prozess- und Qualitätskontrollen oder auch beim Recycling von Kunststoffen. Allerdings erfordern genaue chemischen Analysen häufig manuelle Laborprozesse, teure Messgeräte sowie Fachpersonal für die Datenauswertung. Angeregt durch unsere Forschung am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie wollen wir genau das ändern.

Unser kompaktes Messgerät „Sweeb“ ermöglicht eine einfache und schnelle cloudbasierte Analyse von Inhaltstoffen mittels hochspezifischer Spektroskopie im mittleren Infrarotbereich des Spektrums. Hier weisen die meisten Materialien einen charakteristischen „molekularen Fingerabdruck“ auf, den ein Algorithmus schnell und fehlerfrei analysieren kann. Beispielsweise kann so die Zusammensetzung von Medikamenten oder Lebensmitteln innerhalb von Sekunden identifiziert werden.

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WiredSense
Das kompakte Messgerät „Sweeb“ ermöglicht eine einfache und schnelle cloudbasierte Analyse von Inhaltstoffen mittels hochspezifischer Spektroskopie.

Das hilft zum Beispiel Apotheken, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, alle Ausgangsstoffe für selbst hergestellte Rezepturen zu prüfen. Mit „Sweeb“ geht die Analyse im Vergleich zu nasschemischen Verfahren schneller, sicherer und ohne zusätzliche Chemikalien. Eine geringe Probenmenge auf der Messfläche des Gerätes reicht aus, um innerhalb einer Minute einen Bericht zur chemischen Zusammensetzung der Probe zu erhalten, der alle gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Neben dieser Identitätsprüfung ermöglichen wir in Kombination mit unserer offenen Referenzdatenbank von molekularen Fingerabdrücken weitere Analysen in anderen Märkten.

Für die Biotechnologie kann „Sweeb“ die Konzentration von Reaktanten und Produkten in Bioreaktoren überwachen. Auch bei der Qualitätskontrolle von Ausgangsstoffen, beispielsweise beim Recycling von Kunststoffen, ersetzt unsere Technologie aufwendige Laboranalysen durch einen einfachen Soforttest – ohne Labor und Spezialisten für Probenpräparation und Datenauswertung.

Welche Rolle hat das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY für Ihr Start-up gespielt?

WiredSense hat seine Wurzeln auf dem Hamburger DESY-Campus. Am dortigen Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie haben wir an der Wechselwirkung von Infrarotlicht mit Materialien geforscht. Ein Nebenprodukt dieser Grundlagenforschung mit Lasern ist unser erstes Produkt geworden: Ein hochempfindlicher und sehr schneller Detektor für Wärmestrahlung im Infrarot- und Terahertz-Bereich, der mittlerweile weltweit in Forschungslaboren eingesetzt wird. Dieser Detektor ist auch eine wesentliche technologische Grundlage für unser neues Materialanalysegerät „Sweeb“.

Die Infrastruktur auf dem DESY-Campus hat uns auch über die reine Technologieentwicklung hinaus sehr geholfen. Das Start-up-Office der Abteilung „DESY Innovation & Technologietransfer“ berät uns bereits seit der Unternehmensgründung. Über das Programm „BeYourPilot“ (mittlerweile Start-up Port) haben wir wertvolle Unterstützung bei der Fördermittelbeantragung und bei rechtlichen Fragestellungen erhalten. Nicht zuletzt dadurch konnten wir große Teile der Produktentwicklung von „Sweeb“ über das Förderprogramm „InnoRampUp“ der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB Hamburg) finanzieren.

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WiredSense
Mithilfe eines Infrarotdetektors kann „Sweeb“ Inhaltsstoffe von Produkten schnell bestimmen.

In einem Business-Model-Workshop mit anderen DESY-Teams haben sich zudem Apotheken als idealer Einstiegsmarkt für unsere Materialanalyselösung herauskristallisiert. Auch unseren Firmensitz konnten wir auf dem Campus anmelden, und seit 2021 haben wir unsere eigenen Laborräume in den „Start-up Labs Bahrenfeld“ bezogen. Durch die direkte Anbindung an den DESY-Forschungscampus und die gleichzeitige Nähe zu anderen High-Tech-Gründungen ist dies ein idealer Ort für den weiteren Aufbau unserer Firma.

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WiredSense
Matthias Budden (li.) und Thomas Gebert bei der Arbeit in ihrem Labor

Unter anderem haben Sie den Hamburger „GründerGeist 2022“ gewonnen. Welche Bedeutung haben solche Auszeichnungen, und können diese ein „Boost“ für Start-ups sein?

Wir haben uns sehr über diese Auszeichnung gefreut. Neben dem Preisgeld und den kostenlosen Beratungsstunden haben uns der Wettbewerbsprozess und das Feedback der Jury zu unserem Geschäftsmodell sehr geholfen. Parallel zum „GründerGeist“-Wettbewerb hatten wir begonnen, unsere erste Finanzierungsrunde aufzustellen.

Dafür war die mediale Aufmerksamkeit, die der Wettbewerb erregt hat, sehr nützlich, und insbesondere die zahlreichen Netzwerkveranstaltungen, die den „GründerGeist“ begleiten, haben uns neue Kontakte zu anderen Start-ups und Investoren gebracht.

Wenige Monate nach dem „GründerGeist“ konnten wir unsere Finanzierungsrunde mit vier engagierten Business-Angels erfolgreich abschließen und haben damit genug Kapital für die Markteinführung von „Sweeb“ und die dafür notwendige Vergrößerung unseres Teams.

Auf Grundlage sensitiver Infrarot- und Terahertz-Detektoren entwickelt WiredSense eine Plattform zur Analyse der chemischen Zusammensetzung von Materialien. Ihr kompaktes Infrarotspektrometer nutzt intelligente Algorithmen, um Feststoffe und Flüssigkeiten in Sekundenschnelle zu analysieren. Das ermöglicht selbst kleinen Apotheken den Zugang zu einer hochqualitativen Analytik für die Herstellung von Medikamenten, die Zeit und Ressourcen spart.


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