HW-Tandem-Serie, Teil 6: Das Management muss mitziehen

Jobsharing ist ein elementarer Teil, um als Unternehmen fit zu sein für die künftige Arbeitswelt. Welche Rolle die oberste Führungsebene dabei einnimmt und wie stark die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im Fokus stehen, ist Thema des sechsten Teils der  HW-Artikelreihe zu diesem Arbeitsmodell.
Unilever, Dr. Brill + Partner
Stefan Pfeifer, Unilever (li.) und Florian Brill, Dr. Brill + Partner

Von Birgit Reuther, 7. Juni 2023

Für Stefan Pfeifer, Deutschland-Chef von Unilever, ist Hamburg die Jobsharing-Hauptstadt. Ein Großteil der 60 Mitarbeitenden, die bei dem Unternehmen deutschlandweit in Tandem-Modellen arbeiten, sind in der Zentrale in der Hansestadt angesiedelt. Eine innovative Kraft, die auch stark in die internationale Unternehmenskultur hineinwirkt. Global sind bei dem Konzern derzeit 120 Jobsharing-Couples beschäftigt. „Jobsharing bei Unilever ist ‚made in Germany‘“, sagt Pfeifer, durchaus mit Stolz. Das heißt: Der Geschäftsführer geht mit Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern beherzt in die Diskussion, um Vorurteile über Tandem-Modelle aus dem Weg zu räumen und über die Vorteile aufzuklären.

Den Mitarbeitenden vertrauen

Das Thema ist für ihn ein wichtiger Teil einer größeren Bewegung, die er „Future of work“ nennt. Und bei dem das Management intensiv auf die Bedürfnisse der Belegschaft setzt – angefangen bei fließenden Arbeitszeiten. „Du musst deinen Leuten vertrauen, sonst hast du morgen keine mehr“, erklärt Pfeifer in einem kleinen Konferenzraum mit modernen Polstermöbeln. Der 2020 bezogene Firmensitz an der Neuen Burg in der Hamburger Innenstadt ist von 70 Mitarbeitenden gestaltet worden und auf agiles Arbeiten ausgerichtet – mit flexibel nutzbaren Schreibtischen, gemeinsamen Treffpunkten, einer Cafeteria, Rückzugskabinen und Ruhebereichen.

Für Pfeifer ein Sinnbild für „Future of work“: „Die Arbeitswelt wird sich verändern. Die Zeit, in der vier, fünf Menschen die Entscheidungen treffen, ist vorbei.“ Und um entsprechend mehr Talente in Führungsrollen zu bringen, sei Jobsharing ideal. Gerade die junge Generation an Fachkräften setze andere Prioritäten im Leben. Mehr Zeit mit Familie, Freunden und Hobbys zu verbringen, habe wesentlich höheres Gewicht. Deshalb sei es unumgänglich, sich progressiv mit neuen Arbeitsweisen zu beschäftigen und somit auch einen gesamtgesellschaftlichen Beitrag zu leisten.

„Wir gehen ganz bewusst mit dem Thema Jobsharing nach draußen, um uns als Arbeitgeber zu profilieren und zu positionieren“, so Pfeifer. Und auch um das Know-how von erfahrenen Fachkräften länger im Unternehmen zu halten, werde Jobsharing immer attraktiver. Tandem-Modelle sind aus der Sicht Stefan Pfeifers bestens geeignet, um nicht von der Vollzeitbeschäftigung aus komplett in den Ruhestand zu wechseln, sondern sich mit reduzierten Arbeitszeiten weiter ins Berufsleben einzubringen.

Das Umfeld muss stimmen

Unter anderem nutzen er und sein Team das halbjährliche „Talentforum“ von Unilever, um zu ermitteln, wer im Jobsharing arbeiten möchte. Und um potenzielle Tandem-Partnerinnen und -Partner miteinander zu vernetzen. Wichtig ist für Pfeifer als Geschäftsführer, immer wieder genau hinzuschauen, ob das Umfeld für die jeweiligen Tandems stimmt. Das bedeutet: Wenn Abläufe haken, nicht darauf zu fokussieren, ob das Jobsharing-Couple gut agiert, sondern vor allem einen Wandel in Kommunikation und Organisation bei den umliegenden Strukturen herbeizuführen.

Hier wird weiterdiskutiert

„Mit Jobsharing-Tandems vorhandene Potenziale heben“ ist das Thema eines der Foren beim „Tag des Mittelstands“, zu dem die Handelskammer, die Handwerkskammer, der Verband Freier Berufe Hamburg (VFB) und die Stadt Hamburg am Donnerstag, dem 8. Juni, in die Handelskammer einladen. Moderiert wird das Forum von Michaela Beck und Anna Heidenreich, die in der Handelskammer selbst im Tandem führen – die HW berichtete: „Doppelt führt besser“. Die kostenlose Anmeldung zur Veranstaltung ist hier möglich.

Stefan Pfeifer befasst sich seit Langem damit, wie sich die Arbeitswelt transformieren lässt, unter anderem mithilfe von Jobsharing. Als er im Juli 2022 die Leitung der Landesgesellschaft Deutschland bei Unilever übernommen hat, waren Tandem-Modelle dort im Laufe von 20 Jahren bereits kontinuierlich gewachsen. „Was als Experiment begann, ist mittlerweile sehr selbstverständlich in den Alltag integriert“, sagt der Geschäftsführer und betont: „Ich kann nur dazu ermutigen, nicht ewig lange das Pro und Kontra abzuwägen, sondern einfach mit Jobsharing anzufangen.“

Einer, der einfach losgelegt hat, ist Dr. Florian Brill. Als geschäftsführender Gesellschafter leitet er seit 2010 das Unternehmen „Dr. Brill + Partner GmbH – Institut für Hygiene und Mikrobiologie“, das unter anderem auf Wirksamkeitsprüfungen im Bereich Desinfektion, Medizin- und Pharmaprodukte sowie Kosmetika spezialisiert ist. „Der Auslöser, um sich mit Jobsharing zu beschäftigen, war eine ganz praktische Fragestellung“, konstatiert Dr. Florian Brill. Das 1995 gegründete Unternehmen hat sich in der jüngeren Vergangenheit recht schnell gesteigert hinsichtlich seiner Mitarbeiterzahl.

„Aus einer Struktur heraus, wo alle alles machen, mussten wir anfangen zu differenzieren“, erläutert Brill. Daher hat er ein Modell entwickelt, bei dem Führungspositionen von Dreierteams ausgefüllt werden. Also Arbeiten sogar im Tridem, nicht „nur“ im Tandem. „Diese Organisationsform passt gut zu unserer Firma, da wir zu mehr als 60 Prozent Menschen mit jungen Familien beschäftigen und ohnehin viele Teilzeitmodelle anbieten“, sagt der Geschäftsführer. Und wenn eine Person im Urlaub oder zu Hause ist, sind immer noch zwei Führungskräfte ansprechbar.

Die positiven Effekte überwiegen

„Ein dynamisches Wachstum erfordert ein bestimmtes Mindset bei den Mitarbeitenden“, berichtet Brill. Da viele Fachkräfte seines Unternehmens direkt aus der Wissenschaft kommen, habe eine Führungsrolle nicht die oberste Priorität. Und Neues auszuprobieren, gehöre ohnehin zur Methodik. Daher habe er eine große Offenheit erlebt in Bezug auf geteilte Arbeitsmodelle bei weiterhin flachen Hierarchien.

60 Personen beschäftigt Dr. Brill + Partner, wobei das Jobsharing im Tridem bei der Leitung von Abteilungen, in der Verwaltung sowie in den Laboren in Hamburg und Bremen praktiziert wird. Das einzige echte Tandem im Unternehmen birgt ebenfalls eine Besonderheit: Das Zweierteam teilt sich die Aufgaben im Qualitätsmanagement seit 2021 über zwei Standorte hinweg.

Für Florian Brill überwiegen die positiven Effekte des Jobsharings, auch wenn der Kommunikationsbedarf mitunter erhöht ist. „Manchmal kann es passieren, dass die falsche Person angesprochen wird“, erzählt er. Aber die intensivere Reflexion im Team, das gut funktionierende Vertretungssystem und die größere Zufriedenheit der Mitarbeitenden wiegen diesen Aufwand seiner Meinung nach wieder auf.

Viel Wert legt der Geschäftsführer in diesem Zusammenhang auf wirklich gelebte Flexibilität. Sprich: Ihm geht es nicht darum, eine Stelle akribisch in zeitlich exakt gleichen Teilen zu besetzen. „Wir schauen, welche Führungsposition vorhanden ist und welche Fachkräfte mit wie viel Zeit auf dieser Stelle arbeiten können und wollen“, erläutert Brill. „Erst dann kann das Modell atmen.“

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