Eine lebenswerte Stadt zieht Fachkräfte an

Lebensqualität ist ein entscheidender Faktor für die Attraktivität und wirtschaftliche Dynamik einer Stadt. Hamburg punktet hier in vielen Bereichen – doch um ihre gute Position zu verteidigen, muss die Stadt auf kommende Herausforderungen reagieren.
Mediaserver Hamburg / Andreas Vallbracht
Blick aus dem Sandtorpark auf die Elbphilharmonie

Von Felix Schoen, 1. August 2023 (HW 4/2023)

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Ingo Boelter
Theatermeile auf der Reeperbahn: Die reiche Hamburger Kulturszene trägt mit zur Attraktivität der Stadt bei.

Was kann man hier alles sehen! So eine tolle Stadt! Und dann auch noch so ein Riesensee …“ Mit diesen Worten schwärmte die Innenstadtkoordinatorin Prof. Elke Pahl-Weber im Podcast mit Handelskammer-Hauptgeschäftsführer Dr. Malte Heyne über die Hansestadt. Und mit der Einschätzung, dass Hamburg schön, lebenswert und attraktiv ist, ist sie nicht allein. In einer Umfrage des Instituts YouGov zu den zehn deutschen Städten, in denen die Deutschen am liebsten leben wollen, eroberte Hamburg den Spitzenplatz vor München. Und im „Global Liveability Index 2022“ der britischen Verlagsgruppe The Economist Group erreichte sie weltweit immerhin den 22. Platz – nach dem 16. Platz im Jahr zuvor.

Die Lebensqualität, die solche Rankings abbilden, ist auch ein harter Wirtschaftsfaktor. Sie trägt maßgeblich dazu bei, Fachkräfte anzuziehen und zu halten, die Attraktivität einer Stadt zu steigern, ihre Wirtschaft insgesamt zu stärken und damit auch erfolgreiche Innovationen voranzutreiben. Zu den Kriterien, die eine hohe Lebensqualität bestimmen, gehören Erreichbarkeit und Infrastruktur, Wohnraum und Jobangebote, Bildungsmöglichkeiten und medizinische Versorgung, aber auch „weiche“ Faktoren wie Freizeit-, Gastronomie- und Kulturangebote sowie die Balance zwischen Vielfalt und Vertrautem, urbanem Leben, Ruhe und nicht zuletzt Sicherheit.

Lebenswerte Metropole

Das Ziel einer nachhaltigen, klimagerechten und lebenswerten Stadt als Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg ist fester Bestandteil des Zukunftskonzeptes „Hamburg 2040“ der Handelskammer. Derzeit erarbeitet die Kammer ein Zukunftspapier zum Thema „Lebenswerte Metropole“.

Hamburgs Trümpfe

Wie steht Hamburg in dieser Hinsicht da? Wie schon die Rankings ausdrücken, kann die Hansestadt auf einer ganzen Reihe von Stärken aufbauen. Einige Beispiele:

Wasser- und Grünflächen Hamburg ist eine der grünsten Großstädte Deutschlands. Laut der Umweltbehörde bestehen derzeit mehr als neun Prozent der Landesfläche aus Naturschutzgebieten – ein Wert, den kein anderes Bundesland erreicht –, und etwa 20 Prozent aus Landschaftsschutzgebieten. Das ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, mit dem die „Stadt am Wasser“ wuchern kann.

Kultur Hamburg ist die deutsche Musicalhauptstadt und lockt mit zahlreichen Musikklubs, Theatern und Events. Mit 881 Theaterbesuchen pro 1000 Einwohnern lag die Metropole in der Spielzeit 2019/20 bundesweit an der Spitze; 6,6 Prozent aller Erwerbstätigen (rund 63 000) waren hier 2021 in Kulturberufen tätig (gleich nach Berlin mit 8,2 Prozent). Und mit 225 Euro öffentlichen Kulturausgaben pro Einwohner lag Hamburg unter den Bundesländern an dritter Stelle, so die „Kulturindikatoren“ der Statistischen Landesämter.

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Susanne – stock.adobe.com
Wohnen auf dem Wasser: Seit 2013 liegen zwölf Luxus-Hausboote am Victoriakai-Ufer in Hammerbrook.

Bildung und Forschung Mit mehr als 20 Hochschulen (davon zehn staatlichen) und einer Vielzahl renommierter Einrichtungen wie dem Deutschen Elektronen-Synchroton DESY ist die Hansestadt ein führender, auch international attraktiver Bildungs- und Forschungsstandort. Anfang 2023 studierten hier fast 120 000 Menschen – und laut einer aktuellen Studie gehört das Hamburger Bildungssystem zu den besten Deutschlands.

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DESY
Das DESY ist das größte Forschungszentrum der Stadt und eines der weltweit führenden Teilchenbeschleuniger-Zentren.

Quartiere Vom quirligen Ottensen über ländliche Regionen wie die Fischbeker Heide bis hin zu Wohnvierteln wie Poppenbüttel – die 104 Stadtteile Hamburgs sind ebenso vielfältig wie die Stadt insgesamt.

Multinationalität „Hamburg ist eine multikulturelle Stadt, hier leben und arbeiten Menschen aus 185 Nationen“, sagt Bahram Habib. Viele von ihnen haben „den Sprung in die Selbstständigkeit gewagt“, ergänzt der Handelskammer-Berater „Migrantische Unternehmen“. Allein 20 000 Mitgliedsunternehmen würden von Menschen mit ausländischem Pass geführt. „Bezieht man Eingebürgerte mit ein, so fällt die Zahl noch deutlich höher aus. Diese kulturelle Vielfalt betrachten wir als Stärke und als Chance für unsere Stadt.“

Lebensqualität schaffen

Trotz all dieser positiven Faktoren trüben einige Elemente das Bild. So ist Hamburg etwa bei ausländischen Fachkräften weit weniger beliebt, als es wünschenswert wäre, wie eine weltweite Umfrage zeigt. Im „Expat City Ranking“ des Münchner Netzwerkes InterNations landete Hamburg nur auf Platz 45 von 50 Städten weltweit. Die befragten Zugereisten beklagten insbesondere Schwierigkeiten mit der deutschen Bürokratie, dem Knüpfen sozialer Kontakte und der Wohnungssuche.

Rankings

Eine Reihe von Rankings vergleicht die internationale Lebensqualität. So erstellt die OECD regelmäßig ein Länderranking, und die Zeitung „The Economist“ vergleicht im „Global Liveability Index“ weltweit 174 Städte: Hamburg stieg 2022 vom 47. auf den 16. Platz, fiel im diesjährigen Ranking aber auf Platz 22. Zu den bundesweiten Studien zählen etwa Umfragen des Meinungsforschungsinstituts YouGov. Allerdings sind nicht alle Rankings vergleichbar, da zum Teil unterschiedliche Kriterien angelegt werden.

Und gerade die Wohnungslage bleibt ein immenses Problem. Mit mehr als zehn obdachlosen Menschen pro 1000 Einwohner hält die Hansestadt einen traurigen Rekord in Deutschland. Auch angesichts der Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche pendeln viele Menschen aus dem Umland. Doch für täglich 20 Kilometer Arbeitsweg waren hier 2022 im Schnitt insgesamt fast 202 Stunden Fahrzeit erforderlich (München: knapp 188 Stunden) – ein weiterer bundesweiter Negativrekord.

Entsprechend sind noch zahlreiche Maßnahmen und Projekte erforderlich, um die Lebensqualität der Hansestadt weiter zu verbessern, auch wenn die Stadt und ihre Wirtschaft dafür bereits einiges unternommen haben. So wurden im Jahr 2022 insgesamt 10 377 neue Genehmigungen für neue Wohnungen erteilt, 170 mehr als im Vorjahr. Angesichts hoher Baukosten und Zinsen sowie knapper Baugrundstücke dürften diese Zahlen in den kommenden Jahren allerdings kaum zu halten sein. Erschwerend kommt auch in der Baubranche der Fach- und Arbeitskräftemangel hinzu. Weitere neue Viertel wie in Oberbillwerder werden kaum noch entstehen, dabei tragen Neubauvorhaben massiv zur Ausweitung des Wohnungsangebotes bei.

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Stefan Bungert
Lebendiger Alltag in St. Georg: Der bunte Kulturmix ist eine von Hamburgs Stärken.

Eine große Vielfalt von Wohnformen steigert auf jeden Fall die Attraktivität der Stadt – von geförderten Wohnprojekten in der HafenCity bis hin zu luxuriösen Hausbootquartieren wie der Anlage „Am Victoriakai-Ufer“ in Hammerbrook. Dazu zählen auch Projekte wie das autofreie Quartier Mesterkamp in Barmbek-Süd (Fertigstellung: 2024/25) oder das Erfolgsmodell „AGQua – Aktive und Gesunde Quartiere Uhlenhorst und Rübenkamp“, bei dem fünf Jahre lang Ideen für ein längeres Wohnen älterer Menschen in der eigenen Wohnung erprobt wurden.

DIPAS

Über das Digitale Partizipations-System DIPAS lassen sich digitale Karten, Luftbilder, Pläne, 3D-Modelle und Geodaten abrufen. Interessierte können zudem ein Feedback zu Planungsvorhaben geben. Die von der Stadt zusammen mit dem City Science Lab der HafenCity-Universität (HCU) entwickelte, 2021 vorgestellte und bundesweit verfügbare Software kommt inzwischen bei zahlreichen Projekten zum Einsatz. Weitere Informationen erhalten Sie hier.

Eine wesentliche Rolle für die Quartiersentwicklung spielen dabei die Business Improvement Districts, bei denen die Grundeigentümer in Abstimmung mit der Politik an der Entwicklung ihres Viertels arbeiten: Für dieses seit 2004 gesetzlich verankerte Modell setzte Hamburg bundesweit Maßstäbe. Zu den weiteren bürgernahen Partizipationsformen gehören etwa Stadtwerkstätten oder das Online-System DIPAS. Online-Beteiligungen gab es vergangenes Jahr unter anderem bei der Entwicklung des Serrahn, des historischen Hafens im Bergedorfer Zentrum: ein Modell, das sich auf jeden Fall noch ausbauen ließe. Denn Partizipation ist eine wesentliche Bedingung für eine lebenswerte Stadt.

Eine entscheidende Herausforderung für die Stadtentwicklung ist auch der Klimaschutz. Mit dem Ziel, bereits 2045 klimaneutral zu sein, hat Hamburg hier ein deutliches Zeichen gesetzt. Das Klimaschutzgesetz von 2020, das für alle Neubauten ab 2023 Photovoltaik-Anlagen auf dem Dach vorschreibt, wirkt ebenfalls zukunftsweisend. Laut einer im März vorgestellten Studie der TU Hamburg könnte Photovoltaik Hamburgs Strombedarf zu zwei Dritteln decken – zumindest theoretisch. Die ab 2027 geplante Pflicht zur Begrünung aller geeigneten Dächer könnte zudem nicht nur für ein angenehmeres Stadtklima sorgen, sondern auch verhindern, dass bei Starkregen die Siele überlaufen, und dafür sorgen, dass Wasser vor Ort gespeichert wird („Schwammstadt“).

Ob Bürgerbeteiligung oder Wassermanagement, Digitalisierung oder Radwegeplanung, Unterstützung Benachteiligter oder Ausbildungs-Starthilfen: Für eine lebenswerte Stadt, die allen Interessen gerecht wird und bei Bedarf einen Ausgleich findet, sind noch viele Initiativen und Diskussionen erforderlich. Und damit die Stadt unserer Wünsche Realität wird, müssen alle an der Planung und Umsetzung beteiligt sein: Politik, Wirtschaft und Bevölkerung.

Multinationales Hamburg

Immigration ist eine Herausforderung und eine Chance. Sie erfordert Investitionen in Wohnen und Ausbildung, bereichert aber auch das Zuwanderungsland – wie etwa die USA, in die allein von 1880 bis 1889 rund 1,45 Millionen Deutsche auswanderten. In Hamburg hatten Ende 2021 rund 710 500 Menschen einen Migrationshintergrund (37,4 Prozent). Die Handelskammer engagiert sich für die bessere Integration von Geflüchteten und anderen Zugereisten sowie ihre Vermittlung an Betriebe, die Fachkräfte suchen. Mehr Informationen hier.

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