HW-Tandem-Serie, Teil 4: Topsharing – geteilte Führung, viele Vorteile

Jobsharing auf einer Führungsposition bringt zahlreiche positive Effekte – sowohl in der freien Wirtschaft, als auch in der Verwaltung. Doch technische Bedingungen und persönliche Einstellung müssen stimmen. Diese Aspekte erläutert der vierte Teil der HW-Artikelreihe zu Tandem-Arbeitsmodellen
Studioline Fotostudio AEZ, Romanus Fuhrmann, Hamburgische Bürgerschaft/Michael Zapf (2)
Haspa-Tandem Dörte Paulsen (li. oben) und Silke Schwing (li. unten), Juliane Peters (re. oben) und Svenja Liebmann (re. unten) aus der Bürgerschaftskanzlei

Von Birgit Reuther, 24. Mai 2023

„Unser Unternehmen befindet sich mitten in einer kulturellen Transformation und entwickelt sich hin zu modernen Führungsstrukturen. Das Modell der Doppelspitze spielt hierbei eine wichtige Rolle‟, sagt Dörte Paulsen. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Silke Schwing leitet sie seit Januar 2023 die Region Nord-Ost der Haspa. Das heißt: Mit zwei Vollzeitstellen teilen sie sich die Position der Regionaldirektion und sind verantwortlich für rund 380 Mitarbeitende, 205.000 Privatkunden sowie 9.000 Gewerbe- und Firmenkunden.

„Bei solch einer Dimensionen ergibt es Sinn, dass zwei Führungskräfte die Leitung übernehmen‟, erläutert Dörte Paulsen. Jobsharing als Topsharing also. Um als Duo eine möglichst hohe Effizienz zu erlangen, haben die beiden ihre Aufgabenbereiche genau definiert. Von den insgesamt 16 Filialen betreut jede jeweils acht, wobei sie nach einem halben Jahr die Zuständigkeiten tauschen. „Einerseits kommen wir so richtig ins Arbeiten mit den Mitarbeitenden vor Ort‟, erklärt Dörte Paulsen. „Und andererseits können wir eben nach einiger Zeit unsere unterschiedlichen Stärken und Wahrnehmungen nutzen, um mit frischem Blick auf die Ergebnisse zu schauen und Prozesse zu justieren.‟

In einigen Geschäftsfeldern und Arbeitsbereichen ist das Tandem wiederum gemeinsam präsent. Um die beiden Center für Gewerbe- und Firmenkunden kümmern sie sich zusammen. „Hier profitieren wir von unterschiedlicher Vorerfahrung. Ich habe vorher schon mit Firmenkunden in einer anderen Sparkasse gearbeitet, und Dörte bringt langjährige Haspa-Erfahrung rund um die Privatkundenwelt mit“, erklärt Silke Schwing.

Vorteile durch gemeinsames Sparring

In der mündlichen Kommunikation sowie über Cloud-Lösungen tauschen sich die Regionaldirektorinnen permanent über das Erlebte, wichtige Entscheidungen und Neuigkeiten aus. „Das gemeinsame Sparring bietet viele Vorteile wie jederzeit einen Austausch auf Augenhöhe und verschiedene Blickwinkel zu einem Thema. Gleichzeitig können wir auch nicht jedes Thema diskutieren, sonst werden wir nicht fertig. Da braucht es einfach Vertrauen in das Know-how der Anderen‟, betont Silke Schwing.

„Insgesamt ist uns die enge Begleitung unserer 18 Führungskräfte, die wir direkt führen, sehr wichtig. Wir legen unseren Fokus auf intensives Coaching rund um die Mitarbeiterführung inklusive Konfliktmanagement sowie vertriebliches Vorgehen‟, erläutert Silke Schwing. Sie arbeitet bereits seit Juni 2021 auf der Position der Regionaldirektorin. Zu diesem Zeitpunkt war Dörte Paulsen Filialleiterin in der Region Nord-Ost. Als Silke Schwings bisheriger Doppelspitzenpartner den Job wechselte, wurde Dörte Paulsen Ende 2022 im Rahmen eines Führungskräfteauswahlverfahrens für die Stelle der Regionalleiterin ausgewählt.

„Unter unseren Führungskräften hat sich in den letzten zwei Jahren eine tolle Kultur der offenen und vertrauensvollen Kommunikation entwickelt‟, erklärt Silke Schwing. „Aus meiner Sicht wird dies durch eine Doppelspitze und damit zwei unterschiedliche Ansprechpartner/-innen extrem gefördert.“ Ihre Tandem-Partnerin Dörte Paulsen ist überzeugt: „Chefs sind in einer modernen Unternehmenskultur längst nicht mehr nur die, die strategische Entscheidungen treffen. Uns geht es darum, vor Ort zu sein und die Mitarbeitenden mitzunehmen.‟

Auch die Stadt fördert die Transformation

Nicht nur in der freien Wirtschaft, auch in der Verwaltung stehen die Zeichen auf Transformation. In einem neuen Führungsleitbild setzt die Stadt Hamburg verstärkt auf Fairness und Flexibilität. Und die Hamburger Finanzbehörde hat beschlossen, ab diesem Haushaltsjahr 20 Prozent mehr Stellenanteile zur Verfügung zu stellen, um es Tandems zu ermöglichen, in den Dienststellen der Stadt überlappend zu arbeiten.

Als erstes Tandem überhaupt, das in der Hamburger Bürgerschaftskanzlei aktiv ist, teilen sich Juliane Peters und Svenja Liebmann seit Mai 2021 die Referatsleitung Allgemeine Verwaltung. Ihre Teilzeit-Modelle überlappen sich an zwei Tagen in der Woche, sodass sie untereinander nicht nur reine Übergaben machen, sondern sich auch gemeinsam inhaltlich mit Abläufen und Projekten auseinandersetzen können. Solche Jobsharing-Konzepte zu unterstützen, gehört zur Agenda von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit, um insbesondere hochqualifizierte Frauen in Führung zu bringen – bei gleichzeitiger Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Dass sich dieses Mindset in der alltäglichen Praxis durchsetzt, ist für Juliane Peters entscheidend: „Tandems sehen sich häufig in der Erwartungshaltung, dass zwei Menschen auch doppelt so viel leisten.‟ Essentiell sei jedoch zu erkennen, dass Jobsharing keine quantitative Maßnahme ist, sondern vor allem qualitative Vorteile bietet. Bei einem Tandem-Roundtable innerhalb der Verwaltung tauschen die Jobsharing-Paare ihre Erfahrungen aus. Zudem entwickeln sie Strategien, um den Kulturwandel innerhalb der Verwaltung voranzutreiben – sei es die bessere Selbstvermarktung der Tandems, sei es die konkrete Organisation neuer Arbeitsformen innerhalb des bürokratischen Rahmens.

Pionierarbeit soll weitere Teams inspirieren

Noch arbeiten erst wenige der 77.000 Menschen, die bei der Freien und Hansestadt Hamburg beschäftigt sind, im Jobsharing. Die Offenheit sei da, erläutert Juliane Peters. Allerdings sei das Instrumentarium noch nicht komplett vorhanden. Zum Beispiel lasse sich die Planung und Genehmigung von Urlauben für Tandems technisch noch nicht abbilden.

Die Referatsleiterin ist hoch motiviert, mit ihrer Pionierarbeit im Tandem weitere Beschäftigte auf diesen Weg zu bringen. Denn das Duo-Konzept birgt für sie eine große berufliche Bereicherung: „Unser Aufgabengebiet ist äußerst heterogen. Wir ergänzen uns fachlich sehr gut, sodass sich in der Arbeit ein umfangreicheres Bild ergibt.‟ Wichtig ist für Juliane Peters: Die Expertisen mögen unterschiedlich sein, die Basiswerte müssen jedoch übereinstimmen. Sehr positives Feedback erhält das Tandem auch bei der Evaluation durch die Mitarbeitenden, mit denen sie in der Regel gemeinsam ins Gespräch gehen. Ansonsten lautet ihre Devise im Jobsharing: „Egal, wen du von uns ansprichst: Du bist immer richtig!‟

Hier wird weiterdiskutiert

„Mit Jobsharing-Tandems vorhandene Potenziale heben“ ist das Thema eines der Foren beim „Tag des Mittelstands“, zu dem die Handelskammer, die Handwerkskammer, der Verband Freier Berufe Hamburg (VFB) und die Stadt Hamburg am Donnerstag, 8. Juni, in die Handelskammer einladen. Moderiert wird das Forum von Michaela Beck und Anna Heidenreich, die in der Handelskammer selbst im Tandem führen – die HW berichtete: „Doppelt führt besser“. Die kostenlose Anmeldung zur Veranstaltung ist hier möglich.

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