HW-Tandem-Serie, Teil 5: Stakeholder-Management – doppelt hält besser

Jobsharing-Tandems sind immer Teil eines großen Beziehungsnetzwerks – aber wie lässt sich die doppelte Führungsrolle im internen und externen Austausch gestalten? Teil 5 der HW-Artikelreihe zu diesem Arbeitsmodell stellt einige Beispiele vor.
Henriette Pogoda, privat, Dave Jasim_ Zweiundachtzig.com (2)
Gyde Schlote und Isabel Streicher (Beiersdorf, oben li.), Maria Ziegfeld und Tanja Kindler (Unilever, oben re.), Birgit Ahlers und Alexandra Großkurth (Google)

Von Birgit Reuther, 31. Mai 2023

Vorgesetzte, Mitarbeitende, Kundschaft – im Berufsleben gilt es, mit all diesen Kontakten klare, kontinuierliche und produktive Beziehungen zu pflegen. Doch wie sieht das Stakeholdermanagement im Jobsharing aus? Führt die Zweier-Besetzung auf einer Position zu Verwirrung im Netzwerk? Oder bietet die Duo-Konstellation bisher unterschätzte Vorteile? Die HW hat sich mit drei Führungstandems zu diesem Thema unterhalten – bei Google, Unilever und Beiersdorf.

Transparent kommunizieren: Jobsharing bei Google

„Für ein reibungsloses Stakeholdermanagement im Jobshare-Tandem ist es immens wichtig, dem beruflichen Umfeld ganz transparent zu kommunizieren, wie wir arbeiten, sowohl intern als auch extern. Das heißt, über unsere gemeinsame E-Mail-Adresse immer uns beide in die Kommunikation einzubinden. Und wir sortieren dann die Infos und priorisieren die Aufgaben auf unserer Seite“, erklärt Alexandra Großkurth. Im Jobshare verantwortet sie gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Ahlers den Bereich „Geo for Environment in EMEA“ (Europe, Middle East, Africa) im Global Partnerships Team von Google. In ihrer Rolle sind beide gemeinsam für die Partnerschaften mit Städten und Klimaorganisationen zuständig, die Geodaten für ihre Arbeit zum Thema Nachhaltigkeit und Klimaschutz nutzen.

„Insbesondere unsere externen Partner geben uns sehr gutes Feedback zum Jobsharing-Modell. Unser Eindruck ist, dass sie sich noch mehr wertgeschätzt fühlen, da sie mit zwei Personen und dementsprechend mit zwei verschiedenen Persönlichkeiten und Kompetenzen arbeiten können. Zeitlich bieten wir so eine sehr große Abdeckung sowie schnelle Bearbeitungszeiten“, erzählt Alexandra Großkurth. Und auch im internen Austausch lässt sich die „doppelte fachliche und emotionale Power“ nutzen, sodass sich alle mitgenommen fühlen, erläutert Birgit Ahlers. Da beide in einer flexiblen Vier-Tage-Woche arbeiten, sei das Tandem immer ansprechbar.

Zu Beginn ihrer Jobsharing-Zeit im Jahr 2018 mussten sie allerdings noch einiges an Aufklärungsarbeit leisten: „Grundsätzlich war es damals üblich, individuelle Verantwortungen zu vergeben. Wenn also nur eine Person aus unserem Jobshare-Tandem beauftragt und mandatiert werden sollte, haben wir entsprechend gegengesteuert“, sagt Birgit Ahlers.

Die neuen Arbeitsmodelle müssen sich zudem stärker in systemischen Grundlagen wie IT- und Performance-Measurement-Lösungen widerspiegeln. Aus ihren Erfahrungen haben Ahlers und Großkurth mittlerweile ein Jobsharing-Framework, also eine Art Leitfaden entwickelt, mit dem sie andere Mitarbeitende beraten, die sich ebenfalls als Tandem organisieren möchten.

Produktive Unterschiede: Ein Führungstandem bei Unilever

Bei Unilever engagiert sich das „Team MaTa“ ebenfalls dafür, über sogenannte „Jobsharing-Mythen“ aufzuklären. Zu diesem Zweck hat es eine Reihe kurzer Videos gedreht. Seit drei Jahren füllen Maria Ziegfeld und Tanja Kindler gemeinsam die Position „Category & Customer Development Lead Home Care“ und sind dabei verantwortlich für Reinigungsmarken wie Coral, Domestos und Viss.

Was das Stakeholdermanagement betrifft, lautet die Devise des Duos „act as one“, also „handle wie eine Person“. Das soll reibungslose Abläufe zwischen Tandem, Team und Vorgesetzten garantieren. Allerdings erleben die beiden auch Situationen, in denen gerade die Unterschiede zwischen ihnen eine positive Dynamik in Gang setzen.

„Wir sind alle nur Menschen mit Höhen und Tiefen. Wenn sich die eine vielleicht mal zu sehr in eine Idee verrannt hat, kann die andere mit einem offeneren Blick übernehmen. Und wenn ich wiederum mit einer Person aus dem Team gerade besonders gut resoniere, dann können wir diesen Flow einfach weiter nutzen“, erzählt Tanja Kindler. Ihrer Ansicht nach lassen sich mit dem Tandem sowohl Schwächen besser ausbalancieren als auch Stärken besser forcieren.

Im Kundenkontakt lässt sich das Jobsharing ebenfalls strategisch einsetzen – etwa wenn die Tandem-Partnerin am Tag nach einem diskussionsreichen Termin die Verhandlungen mit frischer Perspektive fortführt. „So kann man als eine Art ,good cop, bad cop‘ auch mal etwas forscher in ein Meeting hineingehen“, erklärt Maria Ziegfeld.

Die Managerin ist überzeugt: „Jobsharing ist Kollaboration auf die Spitze getrieben und erfüllt damit eine der Hauptanforderungen an die neue Arbeitswelt.“ Das Vertrauen und die Transparenz, die sie beide bei der Arbeit im Tandem erleben, seien nicht nur ein enormer persönlicher Mehrwert. „Die Stärken einer Topshare-Arbeit sind die freien Tage“, sagt Tanja Kindler, da gerade dann – jenseits des operativen Geschäfts – neue Ideen reifen können. Ausgeruht und mit Abstand finden sich schneller innovative Ansätze und zugleich wachse die Resilienz, ist sich Maria Ziegfeld sicher. Das führe zu einem insgesamt menschlicheren und nahbareren Teamlead.

Auftritte genau austarieren: Jobsharing bei Beiersdorf

Tatsächlich funktioniert das Stakeholdermanagement innerhalb eines Unternehmens immer wechselseitig. „Für uns als Jobsharerinnen ist es besonders wichtig, dass unser Umfeld klar und strukturiert kommuniziert – umso besser können wir unseren Job machen“, erklärt Gyde Schlote, die bei Beiersdorf gemeinsam mit ihrer Kollegin Isabel Streicher auf internationaler Ebene den Bereich „Innovation NIVEA Body Care“ leitet.

Die erfahrenen Managerinnen arbeiten seit 2017 zusammen im Jobsharing. Gerade inmitten von Transformationsprozessen sei die gegenseitige Reflexion im Tandem ein bedeutender Vorteil, um sicher aufgestellt zu zweit mit weiteren Schnittstellen kommunizieren zu können. Im unternehmerischen Umfeld tarieren die beiden genau aus, wann sie im Doppel auftreten und wann allein. „Zu zweit haben wir als gestandene Frauen durchaus auch Einschüchterungspotenzial“, sagt Isabel Streicher. Manche Gespräche führt deshalb ganz bewusst nur eine der Führungskräfte, um eine größere Nähe zu schaffen. „Andererseits können wir bei herausfordernden Diskussionen auch mit doppelten Schultern in die Situation hineingehen.“

Dass Gyde Schlote und Isabel Streicher bei Beiersdorf gemeinsam eine Expertinnenrolle besetzen und im Jobsharing hoch strategische Konzeptarbeit leisten, ist eine unternehmerische Entscheidung. „Dieses Vertrauen in uns als Tandem empfinden wir als große Wertschätzung“, sagt Gyde Schlote. Wie viele Führungskräfte, die im Jobsharing organisiert sind, beschäftigen sich die beiden sowohl intern als auch extern intensiv mit diesem neuen Arbeitsmodell und etablieren das Thema so auch im beruflichen Beziehungsnetzwerk. Unter anderem nehmen sie regelmäßig am Tandem-Roundtable der Handelskammer Hamburg teil. „Ich habe den Eindruck, da entsteht gerade eine richtige Bewegung, die Arbeit im Unternehmen neu zu denken“, sagt Isabel Streicher.

Hier wird weiterdiskutiert

„Mit Jobsharing-Tandems vorhandene Potenziale heben“ ist das Thema eines der Foren beim „Tag des Mittelstands“, zu dem die Handelskammer, die Handwerkskammer, der Verband Freier Berufe Hamburg (VFB) und die Stadt Hamburg am Donnerstag, 8. Juni, in die Handelskammer einladen. Moderiert wird das Forum von Michaela Beck und Anna Heidenreich, die in der Handelskammer selbst im Tandem führen – die HW berichtete: „Doppelt führt besser“. Die kostenlose Anmeldung zur Veranstaltung ist hier möglich.

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