Spielerische Stadterkundung

Die von Martha de Vries, Timo Mandler und Verena Mathews gegründete Quiz-Plattform „ryddle“ für Stadtrallyes ist das „HW-Start-up des Monats“ im September. Anstelle eines einfachen Quiz mit Antwortmöglichkeiten spielen die Teilnehmenden jede Rallye in Form einer interaktiven Unterhaltung. Im Gespräch mit einem fiktiven Charakter erfahren sie eine Geschichte, in deren Rahmen sie jeweils Rätsel lösen und Hinweise sowie Wegpunkte suchen.
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Haben „ryddle“ im Jahr 2019 gemeinsam gegründet (v. li.): Timo Mandler, Verena Mathews und Martha de Vries

Von Frank Schlatermund, 3. September 2024

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, ein Start-up für digitale Stadtrallyes zu gründen?

Auch wenn es schon eine kleine Ewigkeit her ist, ist es doch immer wieder schön, sich an unsere Gründungsgeschichte zu erinnern. Als wir alle drei 2018 in Hamburg gelebt haben, sind wir sonntags – wie man es in Hamburg so macht – einfach durch die „schönste Stadt der Welt“ spaziert, genauer gesagt am Hafen entlang bis nach Altona.

Da wir uns alle inmitten unserer Promotion befanden und uns viel mit neuen (digitalen) Themen beschäftigt haben, fragten wir uns, ob man so einen Sonntagsspaziergang mithilfe neuerer Technologien nicht auch anders gestalten kann – interaktiv, unterhaltsam, informativ, zeitlich flexibel, kreativ, Unentdecktes entdecken. Warum nicht die gemeinsame Zeit mit einem gemeinsamen Erlebnis verbinden und dabei gleichzeitig die Stadt entdecken und von einer anderen Seite kennenlernen?

Und so entstand – wohl nach dem einen oder anderen Bierchen – die Idee, einen Chatbot zu nutzen, um eine digitale Schnitzeljagd und Stadtrallye zu erstellen, die aufgrund der Rätsel zum aktiven Mitmachen einlädt und gleichzeitig einen neuen Blick auf einen Stadtteil ermöglicht, eine passende Geschichte erzählt und spannende Hintergrundinfos liefert. Denn auch Einheimische wissen oft nicht so viel über die eigene Stadt.

Die Geschichte ist leider nicht sonderlich spektakulär, aber wir sind total stolz, dass wir damals mutig waren, „ryddle“ gegründet und es einfach gemacht und ausprobiert haben. Und wie man sieht, gibt es uns heute, fünf Jahre später, immer noch. Wir haben noch immer viel Spaß an unserem Start-up und der Entwicklung neuer Touren, in die wir viel Herzblut stecken. So steht zum Beispiel eine neue Eigenentwicklung – eine Tour für Junggesellenabschiede in Hamburg – in den Startlöchern.

Wie entwickelt ihr eure Rallyes? Eine gute Stadtkenntnis dürfte wohl Voraussetzung sein …

Richtig, eine gute Stadtkenntnis und etwas Insiderwissen sind für uns sehr wichtig. Vier von fünf der Hamburger Rallyes haben wir selbst entwickelt, da wir uns in der Stadt gut auskennen, Stadtführer in den Familien haben und einfach Lust hatten, in die Geschichten der einzelnen Stadtteile abzutauchen und zu recherchieren. Und so starten wir bei der Entwicklung meist bei der Geschichte, die wir über den Stadtteil erzählen wollen.

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Inzwischen kann man mit „ryddle“ nicht nur Hamburg erkunden, sondern zum Beispiel auch Berlin, München, Köln, Düsseldorf, Lübeck, Wien und Rostock.

Im Hafen und in der Speicherstadt kommunizieren die Spielerinnen und Spieler mit dem Hafenarbeiter Fiete, der Hilfe benötigt, aber auch viel zu berichten hat. Im Grindelviertel hingegen helfen sie Tamar, die die Geschichte ihrer jüdischen Abstammung erfahren möchte. Und in der Innenstadt braucht eine Studentin Unterstützung bei der Recherche zum Großen Hamburger Brand.

Danach geht es an die Strecke und die Besonderheiten des Stadtteils, die als Rätsel genutzt oder Hintergrundinfos werden können, und an die Erstellung von passendem Bild-, Video- und Audiomaterial, das die Tour erlebbarer macht. Und so entsteht Schritt für Schritt eine neue Stadtrallye. Wir hatten die Vision, die Stadt für kleine Gruppen, Freunde und Familien, die einfach gemeinsam Zeit verbringen möchten, digital erlebbar zu machen.

Dreh- und Angelpunkt des Start-ups von Timo Mandler, Verena Mathews und Martha de Vries ist zwar Hamburg, doch ist „ryddle“ inzwischen auch in vielen weiteren Städten vertreten, zum Beispiel in Berlin, München, Köln, Düsseldorf, Lübeck, Wien und Rostock. Jede Tour erzählt eine individuelle Geschichte. Einigen Touren sind mittlerweile auch auf Englisch verfügbar. Eine Besonderheit stellt die Familientour in Grömitz dar, die in Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband entstanden ist und seither für die Spielerinnen und Spieler vor Ort kostenlos ist. Die künstlerisch-kreative Tour in Lübeck, die im Rahmen der Aktion „Kulturfunke“ der Possehl-Stiftung gefördert wurde und die lokale Künstlerinnen und Künstler, deren kreative Arbeiten in die Rallye eingebunden sind, während der Corona-Krise unterstützt hat, ist ebenfalls etwas Besonders.

Wir möchten unseren Spielerinnen und Spielern nicht nur die „normalen“ Informationen rund um Bauwerke, Sehenswürdigkeiten und wichtige Plätze mitgeben, sondern auch eine Geschichte erzählen, die zum Stadtteil passt und die zudem ein paar Geheimtipps bereithält wie besondere Informationen oder Geschehnisse oder auch besondere Orte, Restaurants oder Fun Facts, die man eben selbst nicht beim ersten Googeln herausfindet.

Für die Stadtrallyes in den anderen Städten, die in den vergangenen Jahren hinzugekommen sind, haben wir uns gerade für die Entwicklung der Strecke und Geschichte vor Ort Unterstützung von Stadtführern, Autoren und kreativen Köpfen in den jeweiligen Städten geholt und gemeinsam die Rallyes entwickelt.

Gibt es einen Grund, warum ihr euch gerade Hamburg als Ausgangsstandort für euer Start-up ausgesucht habt?

Als wir „ryddle“ 2019 gegründet haben, haben wir alle drei an der Uni Hamburg gearbeitet und daher in Hamburg gelebt. Da wir zunächst nicht wussten, ob jemand unsere Idee von einer digitalen Stadtrallye überhaupt gut findet, haben wir uns entschlossen, die ersten Rallyes selbst zu entwickeln.

Dies hatte den Vorteil, dass sich unser anfänglicher finanzieller Invest in Grenzen hielt und wir zugleich total gut herausfinden konnten, was uns bei unseren Stadtrallyes inhaltlich wichtig ist und wie wir es nach unseren Vorstellungen technisch umsetzen können. Und so haben wir einfach in Hamburg angefangen, da wir vor Ort waren, die Strecken und Inhalte leichter entwickeln konnten und so sehr viel über diese schöne Stadt erfahren konnten.

Mal abgesehen davon ist Hamburg kein schlechter (Gründungs-)Standort, da es viele besondere und prägnante Stadtteile gibt, die Stadt ein beliebtes Touristenziel ist und es auch in der Start-up-Szene viel Unterstützung für neue und kleine Firmen gibt.


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